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Eisbären-Stürmer Steve Walker: "Wir sind dieses Jahr noch hungriger"

Die Berliner Eisbären stehen kurz vor dem Einzug ins Halbfinale der Play-off-Runde. Stürmer Steve Walker spricht mit dem Tagesspiegel über Chancen, Schmerzmittel und seine Zukunft als Polizist.

Steve Walker, wir möchten mit Ihnen über ein Leben ohne Eishockey reden.

Gut, aber das wird schwierig.

Wieso?

Eishockey bedeutet alles für mich, es ist quasi in meinem Blut. Sehen Sie, ich habe drei Jungs, wir reden über nichts anderes. Für meine Frau ist das manchmal gar nicht so einfach (lacht). Meine Leidenschaft für den Sport war ja auch ein Grund, warum ich mich entschieden habe, wieder zu den Eisbären zurückzukommen.

Im Prinzip hatten Sie Ihre Karriere schon beendet, bevor Sie im November einen neuen Versuch in Berlin wagten.

Ich saß ein paar Monate lang zu Hause und habe gemerkt, wie schrecklich ich das Eishockey vermisse. Natürlich habe ich viel verpasst, weil ich erst nach drei Monaten wieder eingestiegen bin. Aber ich habe es bisher in keiner Sekunde bereut. Es war so, als käme ich zu meiner Familie zurück – zu meinen kleinen und großen Brüdern. Deshalb tue ich mich jetzt auch schwer, zu sagen, dieses oder jenes ist mein letztes Spiel. Ich bin da vorsichtiger geworden.

Es ist also womöglich gar nicht Ihre definitiv letzte Saison?

Man sollte niemals nie sagen. Solange ich mich fit fühle, besteht auch immer die Möglichkeit, dass ich weitermache. Mit Manager Peter John Lee habe ich darüber allerdings noch nicht gesprochen und auch nicht mit meiner Familie. Im Moment will ich auch lieber nicht daran denken, dass ich meine Karriere beende. Wir haben ja in dieser Saison noch viel vor.

Im Viertelfinale um die deutsche Eishockeymeisterschaft führen Sie nun 2:0.

Ach, wissen Sie, das bedeutet gar nichts. Natürlich sind wir durch die jüngsten Auftritte selbstbewusster geworden, aber wenn man denkt, jetzt läuft es von alleine, dann wird’s schwierig. Wir müssen unbedingt fokussiert bleiben. Nach der Geschichte, die uns im letzten Jahr passiert ist, wissen wir genau, worauf es ankommt. Die Sache hat uns sogar noch hungriger gemacht, würde ich sagen.

Sie meinen, weil Sie damals gleich bei der ersten Gelegenheit rausgeflogen sind?

Das war eine harte Erfahrung. Wir stellten in der Hauptrunde das beste Team aller Zeiten, aber unterm Strich hat es dann nicht hingehauen. Vielleicht ist es dieses Jahr einfacher, weil wir eben nicht Erster waren. Zudem könnte es das letzte Mal sein, dass wir Spieler in dieser Konstellation zusammenspielen, auch deshalb werden wir alle das Beste geben.

Erinnern Sie sich noch, was Sie sich vorgestellt haben, als Sie vor elf Jahren von Nordamerika nach Berlin kamen?

Ich wusste überhaupt nicht, was auf mich zukommt. Zuerst wurde ich ja vom anderen Berliner Klub, den Capitals, kontaktiert. Im Rückblick bin ich jedoch froh, dass ich hier gelandet bin. Allein schon die Fankultur: Die Deutschen sind verrückt nach Eishockey und Fußball – das war mir vorher nicht bewusst. Ich hatte doch noch nie ein Fußballspiel gesehen, jetzt mache ich das öfter.

Was hat sich seit Ihrer Anfangszeit verändert?

Als ich anfing, waren wir, glaube ich, 13. in der Liga. Vom Gefühl her war das Derby in Berlin das einzige Spiel, das wir in dieser Saison gewonnen haben. Wir hatten damals 16 Importspieler oder so. Und jetzt gibt es so viele junge deutsche Spieler, die einmal große Stars werden können. André Rankel oder Florian Busch beispielsweise. Es sind ganz andere Voraussetzungen, es ist schön, selbst etwas zu deren Entwicklung beigetragen zu haben.

Ist es die Mischung aus jung und alt, die Ihr Team über Jahre stark gemacht hat?

Die große Stärke der Eisbären ist, dass sich der Kader in den letzten Jahren kaum verändert hat. Im Kern ist die Mannschaft dieselbe geblieben. Nach dieser Saison werden einige ältere Führungsspieler den Klub verlassen. Dennoch mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen. Die Eisbären werden weiterhin die Topadresse in der DEL sein. Ich selbst sehe mich immer im Trikot der Eisbären. Ich kann mir nur schwer etwas anderes vorstellen.

Als Kapitän und Topscorer haben Sie die Mannschaft über Jahre geprägt. Selbst verletzt haben Sie gespielt.

Ich hatte in den vergangenen drei Jahren in den Play-offs immer Verletzungen. Ich habe mit einem kaputten Knie gespielt und sogar mit einem Mittelfußbruch.

Steve Walker verkörpert ihn also noch, den harten Jungen, so wie sich viele den Eishockeyspieler gemeinhin vorstellen?

Eishockey ist immer noch eine der körperlichsten Sportarten. Du musst eine gewisse Härte ins Spiel bringen, und Verletzungen sind einfach Teil des Sports.

Ihr Kollege Stefan Ustorf sagt, dass er jahrelang täglich Schmerzmittel nahm.

Wir bekommen oft Spritzen und nehmen wohl auch mehr Schmerztabletten als wir sollten. Es ist natürlich riskant. Aber man bekommt nicht so oft die Chance, um die Meisterschaft zu spielen. Ich hätte ja auch Golfer werden können, das hätte mir das Leben vermutlich vereinfacht.

Eigentlich wollten Sie Polizist werden.

Man muss auch an sein Leben nach dem Sport denken. Deshalb habe ich mich entschieden, in meiner Heimat eine Ausbildung zum Polizisten zu machen. Es hängt von meiner Gesundheit ab, wann ich vom Eishockeyspieler zum Polizisten werde.

Jetzt sprechen Sie doch vom Karriereende.

Ich habe fünf Finger an einer Hand. Wir haben bisher vier deutsche Meistertitel. Wenn noch einer hinzukommt, werde ich mich okay fühlen. Vielleicht auch ohne Eishockey (lacht).

Das Gespräch führten Katrin Schulze und Ron Ulrich.

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