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Sport: Eishockey: Alt und lernfähig

Gunnar Leidborg ist Eishockeytrainer in Diensten der Berlin Capitals, und dieses Anstellungsverhältnis hat ihm ein denkbar exklusives Arbeitsumfeld beschert. Welcher seiner Kollegen in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hat schon mal ein Team betreut, das zur Hälfte erst vier, fünf Tage vor dem ersten Saisonspiel rekrutiert wurde?

Gunnar Leidborg ist Eishockeytrainer in Diensten der Berlin Capitals, und dieses Anstellungsverhältnis hat ihm ein denkbar exklusives Arbeitsumfeld beschert. Welcher seiner Kollegen in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hat schon mal ein Team betreut, das zur Hälfte erst vier, fünf Tage vor dem ersten Saisonspiel rekrutiert wurde? Leidborg hat dieses logistische Kunststück am Freitag erstaunlich gut bewerkstelligt. 1:2 gegen die Düsseldorfer EG - das konnte sich sehen lassen. Leidborg aber war mit dem Ergebnis höchst unzufrieden, und das lässt erahnen, was die Berliner noch alles vorhaben. "Wir sind alt und lernfähig", flachste der Schwede.

Dieser Lernprozess wird bis heute Abend noch nicht abgeschlossen sein. Im ersten Berliner Derby beim EHC Eisbären (18.30 Uhr, Sportforum Hohenschönhausen) dürfte für die Capitals nur wenig zu holen sein. Zwar stellt die Konkurrenz aus dem Osten nicht unbedingt eine Truppe von ausgelernten Jungdynamikern, aber dass die Eisbären nach sechs Wochen Training und zwei Trainingslagern schon recht gut in Schuss sind, war am Freitag zu sehen. Bei den hoch gewetteten Frankfurt Lions gelang den Eisbären ein 4:1-Erfolg. Für Trainer Uli Egen war es nach den durchwachsenen Ergebnissen in der Vorbereitung eine Genugtuung. "Wir waren eindeutig die bessere Mannschaft", befand Egen. "Und am meisten hat mich gefreut, dass wir kein Glück brauchten."

Vor der Rolle des Favoriten im heutigen Derby hat Egen keine Angst. Es stört ihn nicht einmal, wie sehr der Gegner mit seinem Dasein als Außenseiter kokettiert. "Unsere Spieler werden am Sonntag unglaublich müde sein", prophezeit etwa Lorenz Funk, Marketingdirektor der Capitals. Und Verteidiger Greg Andrusak, früher selbst bei den Eisbären aktiv, spricht gar von einer "fast unmöglichen Aufgabe". Egen winkt ab. "Natürlich legen die sich jetzt schon ein paar Entschuldigungen zurecht. Und natürlich erwartet jeder einen klaren Sieg von uns, obwohl die Capitals doch gar nicht mal so eine schlechte Mannschaft haben. Aber mit so einem Druck können wir leben, ich spiele lieber jetzt gegen die Capitals als in drei oder vier Wochen. Denn erst dann werden die sich richtig eingespielt haben."

Die Vorzeichen vor dem Berliner Derby sind anders als noch in den vergangenen zwei Jahren, als die Capitals das Berliner Eishockey dominierten und es die Eisbären trotz mäßiger Leistung nicht schafften, ihre treue Anhängerschaft zu vergraulen.

Natürlich wird das Spiel ausverkauft sein. 5000 Zuschauer werden im Sportforum erwartet - so wenig wie bei keinem der acht DEL-Spiele am Freitag. Die DEL erlebte bei ihrer Saisonpremiere einen ungeahnten Boom. Rund 60 000 Zuschauer verfolgten den ersten Spieltag, im Schnitt 7400 Zuschauer pro Partie. Und das an einem Spätsommerabend. "Wir haben es anscheinend doch geschafft, den Schwung der Weltmeisterschaft im Frühjahr mit in die Saison zu nehmen", sagt Gernot Tripcke. Die Freude über die erstaunlich große Nachfrage nach seinem Produkt war dem DEL-Geschäftsführer deutlich anzumerken. Das Theater um die Lizenz der Capitals hat anscheinend weder der DEL noch dem Klub aus Berlin so schwer geschadet wie zuvor befürchtet. Die Capitals konnten am Freitag immerhin 5400 Zuschauer zum Spiel gegen Düsseldorf in der Deutschlandhalle begrüßen - der Schnitt in der inzwischen abgerissenen Eissporthalle lag in der Vorsaison um fast 2000 Zuschauer niedriger. Insofern waren die Capitals am Freitag gut bedient. Von den - behandlungsfähigen - Leiden ihres lernfähigen Trainers einmal abgesehen.

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