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Noch nicht zerstört, aber am Boden. Die Eisbären (im Bild Kapitän André Rankel) haben sieben der letzten acht Spiele in der Deutschen Eishockey-Liga verloren.

© imago/Contrast

Eishockey: Eisbären Berlin: Alles muss auf den Tisch

Bei den Eisbären Berlin läuft sportlich in dieser Saison wenig zusammen. Dabei ist die aktuelle Krise hausgemacht.

Das Gesicht der Krise ist ein freundliches. Barry Tallackson hat für die Eisbären Berlin seit der Saison 2010/2011 fast 100 Pflichtspieltore erzielt. Derzeit ist der 33 Jahre alte Stürmer ein Schatten seiner selbst. In den bisherigen 36 Saisonspielen hat Tallackson nur zweimal für seine Mannschaft in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) getroffen. Trotzdem kann er noch lachen. „Als Eishockeyspieler denkst du natürlich immer, was du hättest besser machen können. Aber mental musst du trotzdem positiv bleiben. Du darfst dich nie hängen lassen, denn das macht alles noch schlimmer“, sagt der US-Amerikaner, der mit Berlin dreimal Meister geworden ist und dabei immer zu den Leistungsträgern gehörte.

Doch das sind Dinge aus der Vergangenheit. Die harten Fakten der Gegenwart bescheinigen nicht nur Tallackson ein Formtief, sondern vielen vermeintlichen Topspielern im Team der Eisbären. Ganze 15 Siege stehen nach knapp drei Viertel der Saison auf der Habenseite der Berliner. Das langt in der DEL im Moment zum achten Tabellenplatz. Die besten sechs Mannschaften erreichen die Play-offs auf direktem Weg, doch dieses Ziel haben die Eisbären angesichts von zwölf Punkten Rückstand zum Sechsten Wolfsburg fast schon aus den Augen verloren. Derzeit gilt es, die Saison irgendwie zu retten und nicht noch mehr Kredit zu verspielen bei allen, die es gut mit dem Klub meinen.

Doch die Kritik von außen wird lauter. An Spielern wie Barry Tallackson, auch an Trainer Uwe Krupp und zuletzt vermehrt an der Vereinsführung um Sportchef Stefan Ustorf und Peter John Lee. Geschäftsführer Lee schaut in diesen Tagen genau hin, was seine Mannschaft so treibt. Beim Training in der Arena am Ostbahnhof sitzt er am Donnerstag mit der Kaffeetasse in der Hand auf der Tribüne und wirkt nachdenklich. „Barry Tallackson müsste eigentlich einer unserer Anführer sein, aber er hat den Kopf nicht frei“, sagt Lee. Erst im vergangenen Sommer hatte er den Stürmer mit einem neuen, gut dotierten Zweijahresvertrag ausgestattet.

Auch andere Spieler wie Florian Busch oder Constantin Braun wurden zuletzt langfristig an den Verein gebunden. Bei den Eisbären setzen sie nun einmal auf Kontinuität. Das Problem ist: Die Spieler können das ihnen entgegengebrachte Vertrauen schon seit Längerem nicht mehr zurückzahlen. Ihnen scheint der letzte Biss zu fehlen, sich nach all den Erfolgen noch einmal bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit oder darüber hinaus einsetzen zu wollen.

Lee: "Wir schauen ganz genau hin"

Offen spricht das keiner aus, vom Trainer oder vom Sportchef kommen allerdings immer wieder Ansagen, das jeder Spieler stets 100 Prozent geben müsse und die Krise nur durch harte Arbeit zu überwinden sei. Lee stellt nun sogar die von ihm selbst auf dem Papier ausgestellten Jobgarantien infrage und sagt: „Wir schauen ganz genau hin und sind nach der Saison für alles offen – egal, ob Vertrag oder nicht.“

Kurzfristig wird das der Mannschaft nicht helfen. Nach dem Spiel am Freitag gegen die Kölner Haie (19.30 Uhr/Arena am Ostbahnhof) reist der Geschäftsführer zum Eigentümer nach Los Angeles. In den Gesprächen mit Phil Anschutz komme Lee zufolge „alles auf den Tisch. Es geht nicht nur um Geld oder Personal. Wir wollen sehen, wie wir noch enger kooperieren können.“ Klar ist aber jetzt schon, dass die Eisbären auch künftig nicht in die finanziellen Dimensionen anderer DEL-Klubs vordringen werden. „Aber Phil will natürlich wissen, warum wir früher mit weniger Geld als die anderen trotzdem so oft Meister geworden sind und jetzt nicht mehr“, sagt Lee.

In der DEL stehen die Eisbären mit ihrem Etat zwar unter den stärksten fünf Teams, für die Verpflichtung von Christian Ehrhoff reichten die Mittel aber zuletzt nicht mehr. Der Nationalverteidiger entschied sich für ein Engagement in Köln, die Eisbären holten stattdessen mit Alex Roach einen Spieler, der noch am Anfang seiner Entwicklung steht und dem Team aktuell kaum weiterhelfen kann. Ganz offensichtlich sind in der Kaderzusammensetzung Fehler gemacht worden. Trotzdem sei deshalb jetzt nicht alles schlecht, sagt Lee. „Wir haben vier Jungs im Team, die noch zur Schule gehen. Die sammeln jetzt unheimlich wichtige Erfahrungen.“ Trainer Uwe Krupp scheut sich aber noch davor, den Youngstern mehr als nur ein bisschen Eiszeit zu geben – solange er in dieser Hinsicht noch die Wahl hat.

So muss es dann einer wie Barry Tallackson doch irgendwie richten. „Ich möchte zeigen, dass ich das Toreschießen nicht verlernt habe. Die Kritiker, die mich jetzt abschreiben, sollen sehen, dass sie falsch liegen.“ Dafür bleiben ihm noch sieben Wochen, dann ist die Hauptrunde vorbei. Sollten die Eisbären danach die Pre-Play-offs überstehen, wäre die Saison noch irgendwie gerettet. An glorreiche Zeiten anzuknüpfen, davon reden sie im Verein derzeit schon nicht mehr. So richtig hören will auch niemand, dass früher alles besser war. Die sieben Meistertitel zwischen 2005 und 2013 sind aktuell eher Ballast denn Ansporn.

Peter John Lee hat an diesem Donnerstag genug vom Training gesehen. Beim Aufstehen von seinem Tribünensitz fällt dem Geschäftsführer die Kaffeetasse aus der Hand – und zerspringt.

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