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Sport: Eishockey-WM: Der bayrische Preuße und die Dilettanten

Hans Zach ist so etwas wie ein bayrischer Preuße. Geboren im Tölzer Isarwinkel, "dem schönsten Fleckerl Erde auf der ganzen Welt", und besessen von einer Disziplin, wie sie ihm auf der kaiserlichen Kadettenanstalt zu Berlin-Lichterfelde nicht nachhaltiger hätte eingeimpft werden können.

Hans Zach ist so etwas wie ein bayrischer Preuße. Geboren im Tölzer Isarwinkel, "dem schönsten Fleckerl Erde auf der ganzen Welt", und besessen von einer Disziplin, wie sie ihm auf der kaiserlichen Kadettenanstalt zu Berlin-Lichterfelde nicht nachhaltiger hätte eingeimpft werden können. Den Busfahrer der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft hat er angewiesen, einen Abfahrttermin keinesfalls auch nur um eine Minute zu überziehen. Wer nicht pünktlich kommt, muss laufen. Der "Bild am Sonntag" hat er anvertraut, wie denn zu verfahren sei, wenn er selbst, der Bundestrainer Hans Zach, zu spät komme: "Sofort abfahren, und wehe, der wartet auf mich. Dann bekommt er es mit mir zu tun."

Der Erfolg gibt Zach Recht. Vor allem den Siegen seiner Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land ist es zu verdanken, dass Eishockey eine kaum für möglich gehaltene Renaissance erlebt. Vergessen scheinen die Skandale, mit denen die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) ihren Sport in den letzten Jahren beinahe zugrunde gerichtet hatte. Eishockey boomt, und Hans Zach mag es bedauern, dass nur die besten deutschen Spieler seiner Befehlsgewalt unterstellt sind und nicht auch deren Vorgesetzte. Denn er ahnt schon, was die Schar der Funktionäre aus dem neu entdeckten Potenzial machen wird: nichts.

Eine erste Bestätigung erfuhr Zach schon am Freitag, beim ersten Zwischenrundenspiel gegen Italien in Hannover. Über Tage hinweg hatten die deutschen WM-Organisatoren von einer ausverkauften Preussag-Arena trompetet. Doch als die Spieler zum Warmmachen aufs Eis liefen, trauten sie ihren Augen nicht: Ein gesamter Block war leer geblieben, ein Kontingent von 3000 Karten nicht verkauft worden, angeblich wegen eines Computerfehlers. Die Spieler fühlten sich verraten, und das von den eigenen Funktionären. "Das war schon brutal", fand Stürmer Marco Sturm. Die verunsicherten Deutschen verloren 1:3, Zach war außer sich: "Das ist Dilettantismus ohne Ende!", zeterte der Bundestrainer und verließ wutentbrannt die offizielle Pressekonferenz.

Den sportlichen Teil hatte er sehr viel ruhiger abgehakt. "So eine Niederlage überrascht mich nicht, denn ich lasse mich nicht von kurzfristigen Erfolgen blenden." Es dürfe doch niemand annehmen, die deutsche Nationalmannschaft sei durch eine Handvoll guter Spiele aufgerückt in die Weltelite. "Erst wenn wir ein paar Jahre hintereinander auf so hohem Niveau spielen, sind wir weiter gekommen", sagt Zach. "Aber dafür müsste sich schon einiges ändern." Man hörte es seiner Stimme an an: Er mag nicht so recht dran glauben.

Es sind die alten Probleme, die den Bundestrainer drücken. Es gibt zu wenig gute deutsche Spieler, und die wenigen, die er für die Nationalmannschaft benötigt, sind in ihren Vereinen oft nicht einmal Stammspieler. Seitdem das Bosman-Urteil 1995 die Transferregelung über den Haufen geworfen hat, ist der Anteil ausländischer Profis in der DEL stetig gestiegen. Zach, im Hauptberuf Trainer der Kassel Huskies, kennt die Argumentation der anderen Seite. DEL-Gesellschafter verweisen auf die Untauglichkeit einer Quote und darauf, dass sich die Gehaltszahlungen durch das Angebot ausländischer Profis auf ein vernünftiges Niveau reduziert hätten. Zach verfolgt ein anderes Projekt, eines des guten Willens: "Uns wäre schon sehr geholfen, wenn von 2004 an nur noch deutsche Torhüter in der DEL spielen dürften. Das kann doch nicht so schwer sein."

Das Problem mit den Torhütern ist offensichtlich. Früher, als es nur zwei Kontingentstellen für ausländische Spieler gab, wurden die fast ausschließlich mit Feldspielern besetzt. Deutsche Torleute wie Helmut de Raaf, Klaus Merk oder Joseph Heiß bekamen schon in jungen Jahren Spielpraxis und entwickelten sich zu auch international geschätzten Kräften. Aus und vorbei. In der vergangenen Saison hatten nur noch die Berliner Eisbären mit Merk einen deutschen Stammtorhüter. In der Nationalmannschaft wechseln sich mit Christian Künast und Robert Müller zwei Torleute ab, die in ihren Vereinen nur zweite Wahl sind.

Kritiker monieren, dass es kaum genügend gute deutsche Torleute gibt, um 16 DEL-Klubs mit je zwei von ihnen auszustatten. "Nur noch deutsche Torhüter - das wird nicht funktionieren", sagt Gernot Tripcke, der Geschäftsführer der DEL-GmbH. "Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Zukunft nur noch einen ausländischen Torhüter pro Klub lizenzieren. Mehr wird nicht möglich sein." Die Prinzipien des Charles Darwin gelten auch im Mikrokosmos der Deutschen Eishockey-Liga: Der Stärkere setzt sich durch. Egal, ob er nun aus Montreal, Moskau oder Garmisch-Partenkirchen kommt.

Diese Position der Stärke haben die Deutschen längst verspielt. Erst auf dem Eis, dann im Fernsehen. Eishockey findet in Deutschland immer noch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Übertragungsrechte für die DEL (und auch für die WM) hält die Kirchgruppe - und nutzt sie, um ihr defizitäres Pay-TV-Projekt Premiere World mit Inhalten zu füllen.

Die DEL ist mit dieser Lösung nicht glücklich. Aber vor ein paar Jahren, als das deutsche Eishockey von seinen streitsüchtigen Funktionären um ein Haar zu Grunde gewirtschaftet worden wäre, da waren die Klubs dankbar, dass sich überhaupt ein Partner fand. Jetzt wird verhandelt. "Wir führen sehr aussichtsreiche Gespräche mit der Kirchgruppe", sagt DEL-Geschäftsführer Tripcke. Gut möglich, dass schon in der kommenden Saison die DEL nicht nur auf Premiere World, sondern auch im Kirch-Sender Sat.1 zu sehen sein wird.

Tripcke weiß, wem sein Arbeitgeber diese Aufwertung zu verdanken hätte: "Sat.1 war mit den Quoten bei den Live-Übertragungen von der WM sehr zufrieden. Beim deutschen Sieg über die Schweiz gab es 1,8 Millionen Zuschauer." So einen Wert hatte eine deutsche Nationalmannschaft zuletzt 1992 erreicht, im olympischen Viertelfinale von Albertville gegen Kanada. Damals war Eishockey hinter Fußball und Tennis die Fernsehsportart Nummer drei, seine Protagonisten Helden mit nicht nur regionalem Bekanntheitsgrad. Dorthin wollen ihre Nachfolger zurück, am besten schon bei dieser WM im eigenen Land. Wer weiß schon, ob es in absehbarer Zeit noch einmal so eine Chance gibt. Wer zu spät kommt, den bestraft nicht nur der Busfahrer.

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