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Eishockey-WM - Schweiz  - Frankreich   1:0

© dpa

Eishockey-WM: Schweiz: Kleines Land, große Hoffnungen

Deutschlands zweiter Vorrundengegner Schweiz ist bei der Heim-WM unter Erfolgsdruck. Besonders Trainer Ralph Krueger steht in der Kritik.

Liebe geht ja durch den Magen. Deutschland, zuletzt in der Sympathie-Hitparade der Schweizer jäh abgestürzt, versucht aktuell in der Berner Fußgängerzone mit einem Tourismusstand die Vorzüge der Urlaubsregionen zwischen Bodensee und Nordseeküste anzupreisen. Die offizielle Charmeoffensive auf dem Kopfsteinpflaster funktioniert: Das Interesse der Passanten, die bei schönstem Frühlingswetter für ihre Wochenendeinkäufe durch die Altstadt bummeln, ist ordentlich. Vermutlich auch, weil sie mit edlen Weintropfen aus der Pfalz und geräuchertem Schinken aus dem Schwarzwald geködert werden.

In der Bundeshauptstadt, zurzeit neben Zürich-Kloten Spielort der Eishockey- Weltmeisterschaft, wird die sensible Beziehung zwischen Deutschen und Schweizern am Sonntag sportlich auf eine neue Probe gestellt, wenn um 16.15 Uhr (live im DSF) beide Nationalteams im Kampf um einen Zwischenrundenplatz aufeinandertreffen. Die Schweizer, trainiert vom Deutsch-Kanadier Ralph Krueger, sind gegen die von Uwe Krupp betreuten Deutschen favorisiert. Auch weil sie ihr erstes Turnierspiel gegen Frankreich 1:0 gewannen, während die Deutschen beim 0:5 gegen Russland knapp an einem Debakel vorbeischlidderten.

Der Sieg gegen Deutschland ist für die Schweizer ein nationales Anliegen. Denn Eishockey ist dort seit Jahren in der Popularitätsskala auf dem Vormarsch, hat fast den Rang vom Fußball erreicht, in Bern sogar noch mehr: Über 16 000 Zuschauer kommen zu den Heimspielen des SC Bern, mehr als zu jedem anderen Eishockeyverein in Europa. Auch sportlich präsentierte sich die Schweizer Liga zuletzt gut: Der Zürcher SC gewann die Champions League – im Finale gegen den russischen Favoriten aus Magnitogorsk.

Kein Wunder, dass auch von der Nationalmannschaft nun im Lande etwas erwartet wird. „Welcome to ice hockey country“ ist in Riesenbuchstaben über dem Videowürfel der Berner Arena zu lesen. Es illustriert, wie sehr Nationaltrainer Krueger unter Druck steht. Da hat der 49 Jahre alte Krüger mit seinem sechs Jahre jüngeren Kollegen Krupp etwas gemeinsam. Die Trainer sind sich dabei in ihrem Naturell ähnlich: Beide haben für ihre Teams große Visionen entworfen, müssen aber mit Alltagsproblemen und Kritik an ihrer Arbeit kämpfen. Verglichen mit Krupp steht Krueger aber ungleich mehr unter Druck. „Die Schweizer Auswahl will Großes schaffen. Mit Krueger ist das unmöglich“, giftete der „Blick“. Den ehemaligen Stürmer der Düsseldorfer EG bezeichnete das Boulevardblatt gar als „Totengräber“, weil er unbequeme Stars links liegen lasse. Der Betroffene, seit 1997 Schweizer Trainer, ignoriert derartige Attacken. „Ich lese keine Zeitung, höre kein Radio, sehe nicht fern, surfe nicht im Internet“, behauptet Krueger, „das ist einfach besser für meine Gesundheit.“

Die Missbilligung seines Engagements, sein ständiger Begleiter, dringt trotzdem zu ihm durch, lässt ihn aber angeblich „eiskalt“. Auch der Minimalsieg gegen Frankreich führe bei ihm nicht zu Sorgenfalten. „Wir waren gehemmt durch die Stimmung und die Erwartungen.“ Überall hätten ein paar Prozente gefehlt, in Angriff wie in Abwehr. „Jetzt aber ist die Mannschaft bei der WM angekommen, und die paar Prozente kommen gegen Deutschland.“ Einen Beitrag zum nachbarschaftlichen Freundschaftsdienst, von dem auch sein einstiger Mitspieler Krupp profitieren würde, kann sich Krueger garantiert nicht leisten. Dazu wird Eishockey in der Schweiz viel zu ernst genommen.

Tom Hoffmann[Bern]

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