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Ingo Steuer und Robin Szolkowy

© AFP

Eislauf-Profis Ingo Steuer und Robin Szolkowy: „Wir haben keine Fehler gemacht“

Ingo Steuer und Robin Szolkowy über ihre Chancen bei der WM und den Streit mit der Deutschen Eislauf-Union.

Herr Steuer, Sie sind Perfektionist. Ist Ihnen lieber, wenn Ihr Paar mit einer perfekten Kür bei der WM Bronze gewinnt oder wenn es Gold trotz einiger Mängel holt, weil die Konkurrenz noch mehr patzt?

Steuer: Wenn wir eine perfekte Kür laufen, wird es definitiv Gold.

Herr Szolkowy, sind Sie ähnlich gelassen?

Die Erwartungen belasten mich nicht. Wir werden ja nicht in Handschellen abgeführt, wenn wir bloß Bronze gewinnen. Aber wenn wir eine Superkür laufen, dann holen wir Gold.

Herr Steuer, Ihre Einschätzung lautet: Die anderen machen Sport, wir Kunst. Wo ist die Kunst bei Ihrem Paar?

Steuer: Wir vermischen Eislaufen mit den künstlerischen Elementen. Das geht von der Musik über das Kostüm zu den Schritten und der Art, wie die beiden Dinge interpretieren. Das muss sich alles ineinanderfügen. Und wenn das klappt, dann ist das Kunst.

Und wenn Sie gewinnen, wie viel Genugtuung steckt dann in diesem Triumph? Der Streit mit der Deutschen Eislauf-Union (DEU) und dem Bundesinnenministerium dauert ja jetzt schon zwei Jahre.

Steuer: Es geht wirklich nicht um Genugtuung. Wir verfolgen einfach bestimmte Ziele, und dafür trainieren wir sehr hart. Wir denken bestimmt nicht daran, wem wir es gezeigt haben, wenn wir den Titel gewinnen. Das wäre ja Quatsch.

Gleichwohl, Herr Szolkowy, was empfanden Sie, als Sie Europameister wurden und die Nationalhymne hörten? Haben Sie da auch an Deutschland gedacht?

Szolkowy: Nee, das war nur Musik für mich persönlich.

Das Bundesinnenministerium hat Ihnen schriftlich gratuliert – zwei Wochen nach der EM. Konnten Sie so eine Gratulation überhaupt annehmen?

Szolkowy: So weit habe ich gar nicht gedacht. Ich habe positiv zur Kenntnis genommen, dass überhaupt eine Gratulation kam. Alles andere ist mir im Moment egal. Das Schreiben liest sich ja sowieso wie ein Standardbrief.

Herr Steuer, haben Sie auch eine Gratulation erhalten?

Ja, von der Oberbürgermeisterin von Chemnitz, am nächsten Tag. Aber ansonsten gratuliert mir von offizieller Seite niemand. Selbst in den Schreiben an die Sportler steht ja kein Satz zu dem Trainer. Das ist schon bedauerlich.

Im Moment herrscht eine Art Waffenstillstand? Fällt das Training jetzt leichter?

Szolkowy: Waffenstillstand heißt ja nicht, dass alles okay ist. Einen großen Unterschied zu früher gibt's nicht, leider.

Ist die DEU bei einem WM-Sieg von Ihnen in der Defensive?

Steuer: Ich verstehe nicht, warum alles nur vom Erfolg abhängig sein soll. Man muss hier doch grundsätzlich eine Lösung finden. Der Nervenkrieg hat sich jedenfalls nicht groß geändert.

Eine außergerichtliche Lösung, sagt DEU-Vizepräsident Uwe Harnos, könne längst in Sicht sein. Warum haben Sie noch nicht eingelenkt?

Steuer (lacht): Wir stellen doch keine Bedingungen. Wir versuchen jetzt seit zwei Jahren eine außergerichtliche Klärung. Die DEU stellt doch ständig Bedingungen. Entweder sollen die Sportler den Trainer wechseln oder Robin soll die Bundeswehr verlassen. Wir sind doch zur DEU nach München, nach Leipzig, nach Kaufbeuren gefahren. Die DEU ist nur einmal zu uns gekommen. Und da sollten die beiden unterschreiben, dass sie den Trainer verlassen. Es nervt, wenn die DEU das immer anders darstellt.

Zu welchen Kompromissen sind Sie denn bereit?

Steuer: Auf jeden Fall nicht dazu, dass die beiden sich vom Trainer trennen.

Szolkowy: Die Fronten sind wirklich verhärtet. Es wäre ja schön, wenn wir überhaupt mal eine halbe Stunde zusammensitzen könnten, um über Kompromisse zu reden.

Für die DEU ist ein wichtiger finanzieller Punkt geklärt. Sie müssen auf ihre Prämien und Preisgelder keine Verbandsabgabe zahlen. Mit dieser Summe sollen Sie, Herr Steuer, als Trainer bezahlt werden.

Dies geschah aber nur, weil die DEU wollte, dass wir bei der ARD Gala 2007 für die DEU laufen. Sie hatten schon alle Verträge unterschrieben, und wir hatten gebeten eine Lösung für die Saison zu finden. Die Vereinbarung gab es nicht, weil die DEU helfen wollte, sondern weil sie mit dem Rücken zur Wand stand, um eine größere Blamage abzuwenden. Diese Gelder werden auch nicht so wie es die DEU verlauten lässt, ohne Bedingung weitergeleitet, sondern als sogenannte Überbrückung mit späterer Rückforderung geleistet! Wir haben 25 000 Dollar für den EM-Titel erhalten. Davon bleiben den beiden ungefähr 6000 Euro übrig. Die Abgabe an den Verband würde 1200 Euro betragen. Es ist doch klar, dass das nicht reicht, um den Trainer und dessen Reisekosten zu bezahlen. Von der Choreographie mal ganz abgesehen.

Erstaunlich ist aber auch Ihre Rechnung. Immerhin schätzen Experten, dass Sie zu dritt pro Saison mindestens einen sechsstelligen Betrag an Gagen und Preisgeldern kassieren. Harnos klagt: Sie klängen so, als würden Sie am Hungertuch nagen.

Das ist doch klar, dass die DEU so redet. Aber hier geht es ums Grundsätzliche. Es ist doch egal, ob die beiden 5000, 50 000 oder fünf Millionen Euro pro Jahr verdienen. Sie haben als Kadersportler das Recht auf Grundförderung, das heißt, dass ihr Trainer bezahlt wird. So wie das bei anderen Sportlern auch ist. Jetzt, da sie sparen könnten, müssen sie für die DEU Rot-Kreuz spielen und für sie Geld ausgeben. Das ist eine Unverschämtheit.

„Er ist nie mit etwas zufrieden. Mit zunehmenden sportlichen Erfolgen kommen immer neue Begehrlichkeiten.“ Das hat Uwe Harnos über Sie, Herr Steuer, gesagt. Erkennen Sie sich wieder?

Nein, das ist Quatsch. Ich habe gerade gesagt, es geht um die Sportler. Wenn die DEU immer wieder versucht, die Öffentlichkeit zu veralbern, muss irgendwann mal die Wahrheit ans Licht kommen.

Sie beklagen auch, dass Sie und Ihr Paar keine Sponsoren haben. Aber sind Sie nicht selbst schuld? Sie sollen ein Angebot des Vermarkters IMG abgelehnt haben.

Das ist eine riesengroße Lüge. IMG ist nie zu uns gekommen. Das sind die Lügen, die die DEU verbreitet, um uns schlecht darzustellen. Wir haben einen Vertrag mit „Art on Ice“ bis zu den Olympischen Spielen. „Art on Ice“ ist für internationale Auftritte zuständig. IMG müsste erst mal an „Art on Ice“ oder mich herantreten, aber das ist nie passiert. Mich ärgert es, dass die DEU so etwas in die Welt setzt, und wir stehen dann wie die Blöden da.

Zu einem Streit gehören immer zwei. Welche Fehler haben Sie denn in den zwei Jahren gemacht?

Szolkowy: Ich denke keine.

Ein Fehler, den viele Beobachter sehen, ist die Wagenburg-Mentalität, die Sie ausstrahlen. Ein Trio gegen übermächtige Funktionäre und kritische Medien. Sehen Sie, Herr Steuer, sich in einer Wagenburg?

Nein, eigentlich nicht. Wir arbeiten nur intensiv am Ziel Olympiasieg. Wir stimmen im Sport alles darauf ab, das schon. Aber wir schotten uns nicht ab, das wird falsch interpretiert. Es wäre aber viel leichter, wenn die DEU mit und nicht gegen uns arbeiten würde. Dann hätten wir auch kein Problem damit, wenn sie sich mit unseren Erfolgen präsentiert. DEU-Sportdirektor Udo Dönsdorf hat sich bei der EM mit uns hingestellt und hat uns gesagt: Toll, macht weiter so. Damit gibt er uns doch recht. Dann ist doch alles andere Heuchelei.

Herr Steuer, ein Fehler, den Ihnen Kritiker anlasten, ist Ihre mitunter sehr schroffe Art. Bei der deutschen Meisterschaft kritisierten Sie das zweitplatzierte Paar Vartmann/Just öffentlich heftig. Die beiden hörten sich Ihre plötzliche Attacke mit versteinerten Mienen an.

Gut, die Art und Weise wie ich kritisiere, ist manchmal sehr verletzend für den Betroffenen. Aber warum soll ich 14 Tage nach einem Anlass kritisieren, wenn es keinen mehr interessiert? Ich wurde gefragt und habe versucht, die Öffentlichkeit auf einen Mangel hinzuweisen. Mich hat einfach gestört, wie da gearbeitet wurde und wird. Die DEU hätte ja auch sagen können: Der Herr Steuer hat recht. Aber nein, da hieß es, der Herr Steuer ist unterste Schublade. Und das sagte einer, der nicht mal anwesend war.

Sie meinen Uwe Harnos?

Klar. Wenn sich ein Vizepräsident der DEU einen Tag vor der EM öffentlich so äußert, stimmt in dem Verband etwas nicht. Wir alle hatten bei der EM die Aufgabe, Deutschland gut zu präsentieren. Wenn dann solche Äußerungen kommen, ist das unverständlich. Dann ist der Herr im Präsidium fehl am Platz.

Vartmann/Just steigerten sich bei der EM erheblich. Fühlten Sie sich bestätigt?

Na klar, das hat mir gezeigt: Egal, wie die DEU auf mich gehauen hat, ich habe etwas bewirkt. Natürlich waren die Sportler verknatzt, aber ich war es auch.

Sie würden also wieder so hart Kritik üben?

Natürlich.

Das Gespräch führte Frank Bachner.

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