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© dpa-Zentralbild

Eistanz: Flüchtiger Zungenkuss

Prozess um Sexuelle Belästigung: Im Fall Rabe/Dönsdorf belastet der verschobene Gerichtstermin das deutsche Team vor Olympia.

Berlin - Das Warten geht also weiter, das ist für Sascha Rabe das Schlimmste. Nächte, nach denen er „früh wach geworden ist“, das Gefühl der „totalen Unruhe“, das bedeutete Warten bisher für ihn. Und jetzt ist dieser Prozesstermin auch noch verschoben worden. Am vergangenen Dienstag sollte er im Saal 109 des Landgerichts Berlin auf den Mann treffen, der für ihn eine Vaterfigur war und den er am liebsten nie mehr sehen würde. Sascha Rabe, der Eistänzer aus Berlin, möchte Schmerzensgeld von Udo Dönsdorf, dem Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU). Darum geht es in dem Zivilprozess, angesetzt war eine Güteverhandlung. Dönsdorf soll Rabe angeblich sexuell belästigt haben, nachts in einem Berliner Hotel, beim gemeinsamen Sekttrinken. Aber nun habe der zuständige Dezernent gewechselt, schrieb das Gericht den Parteien. Neuer Termin: April.

Nach der Wintersaison also. „Auch für mich als Juristin ist das unerträglich“, sagt Rabes Anwältin Karla Vogt-Röller. Für Sportler, allen voran Rabe, und die DEU-Funktionäre ist es eine zunehmende Nervenbelastung. In zwei Wochen finden die deutschen Meisterschaften statt, im Februar die Olympischen Spiele. Und die Frage, welche Autorität der Sportdirektor des Deutschen Verbands besitzt, ist ungeklärt. „Es ist unverständlich, dass es so lange dauert“, sagt Rabe. Dönsdorf dürfte ähnlich empfinden. Er will keine Stellung nehmen.

Die Güteverhandlung hätte einiges klären können. Die Richter hätten Rabes Forderung nach Schmerzensgeld ablehnen können. Das hätte Dönsdorfs Position unter Sportlern und Funktionären gestärkt. Wenn die Richter dagegen Zweifel an Dönsdorfs Darstellung haben, müssen sie ein Hauptverfahren ansetzen, dort werden Zeugen gehört und Beweise gewürdigt. Aber jetzt ist alles im Unklaren.

Auch eine interessante Frage, die jetzt, zum ursprünglichen Verhandlungstermin, aufgetaucht ist: Gibt es einen flüchtigen Zungenkuss? Der Sportdirektor gibt nur einen „flüchtigen Kuss“ zu, alle anderen Vorwürfe weist er über seinen Anwalt Alexander Stolberg-Stolberg vehement zurück. In seiner Stellungnahme ans Gericht bestreitet Stolberg-Stolberg, dass Dönsdorf dem Eistänzer einen Zungenkuss aufgedrängt habe. „Richtig ist vielmehr“, schreibt er, „dass der Beklagte den Kläger spontan umarmte und küsste. Richtig ist auch, dass es sich hierbei um einen Zungenkuss handelte. Der Kläger erwiderte dies, indem er ebenfalls den Beklagten küsste.“ Der Kuss sei „nach ca. drei Sekunden einvernehmlich und gleichzeitig beendet“ worden. Ein flüchtiger Zungenkuss? Klingt nach: schwarzer Schimmel.

Die ganze Geschichte erreicht jetzt wieder den Sport, den Eiskunstlauf. Sportler und Trainer konzentrierten sich bisher auf die Olympiaqualifikation, den Fall Rabe/Dönsdorf verdrängten sie. Und einigermaßen elegant vermied die DEU, dass ihr Sportdirektor auf Rabe traf. Als Rabe bei der Nebelhorn-Trophy in Oberstdorf im September lief, hatte sich Dönsdorf in Urlaub verabschiedet. Rabe jedenfalls will nirgendwo starten, wo Dönsdorf ist.

Aber jetzt? Die deutsche Meisterschaft im Olympiajahr ohne den zuständigen Sportdirektor, geht das? „Das geht nicht“, sagt Viola Striegler in der Eishalle des Sportforums Berlin, eingehüllt in eine schwarze Winterjacke. Striegler trainiert Stefan Lindemann und Peter Liebers, Kandidaten für Vancouver. „Wir brauchen ihn dort einfach“, sagt sie. Es gehe um Absprachen, um Einschätzungen von Sportlern, um viele Details. Aber wenn Dönsdorf vor Ort ist, dann wird der Fall Dönsdorf/Rabe die Szenerie bestimmen, mehr noch als bei seiner Abwesenheit.

Es gehe auch ohne Dönsdorf, sagt Reinhard Ketterer, der Leitende Landestrainer von Berlin. „Auch wenn es nicht besonders günstig ist.“ Die Leistungen der Sportler könne Dönsdorf auch am Videorekorder analysieren.

Rabe jedenfalls zieht seine Klage auf keinen Fall zurück. „Ich bin an die Öffentlichkeit gegangen, um mich zu entlasten und anderen zu helfen“, sagt er. „Wenn ich jetzt zurückziehen würde, wäre die Wirkung ja verloren.“

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