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Sport: Elf teure Freunde - und wo bliebt die Moral? (Kommentar)

Es war, darüber war man sich in Berlin einig, das "Jahrhundertspiel" der Hertha, als sie, Mann gegen Mann, AC Mailand in der Champions-League 1:0 schlug. Ein Jahrhundertspiel nicht nur deshalb, weil das Säkulum ohnehin zu Ende geht und allzu viel bis zum neuen Jahrtausend nicht mehr passieren kann - im Fußball.

Es war, darüber war man sich in Berlin einig, das "Jahrhundertspiel" der Hertha, als sie, Mann gegen Mann, AC Mailand in der Champions-League 1:0 schlug. Ein Jahrhundertspiel nicht nur deshalb, weil das Säkulum ohnehin zu Ende geht und allzu viel bis zum neuen Jahrtausend nicht mehr passieren kann - im Fußball. Ein Jahrhundertspiel auch, weil hier ein junges kämpferisches Team gegen einen alteingesessenen Nobelverein siegte, das Volk gegen den Adel, der Kampfgeist gegen das Geld, die Mannschaft gegen die Stars, von denen einer, etwa Schewtschenko, so viel Geld verkörpert wie die ganze Hertha.

Dass hier das Herz über das Geld siegte, der unverdorbene, unverbrauchte Emporkömmling über den verwöhnten, im Gelde schwimmenden Starclub, klingt schön, hört sich schlüssig an, ist aber natürlich nicht einmal die halbe Wahrheit. Hinter Hertha steht, wie hinter Milan Silvio Berlusconi, immerhin die Ufa (also Bertelsmann). Und wenn Hertha in der Champions-League mal so begeisternd unverkrampft und respektlos spielt - und gewinnt - dann auch, weil sie noch "hungrig" ist und sich freut an den großen Fleischtöpfen mitmampfen zu können - bis man sich auch einen Bierhoff oder einen Schewtschenko leisten kann: Haste was, biste was, ist die eiserne Devise auch des Profi-Fußballs.

Trotzdem taugen die Herthaner als Idole für die Jugend, als Vorbilder. So möchte man werden. Wie andere Legenden, so wird auch die vom Jahrhundertspiel aus einem wahren Kern und viel Firlefanz bestehen. Da passt es gut, dass in der gleichen Woche, da Hertha als ein Helden-Team das Olympiastadion verließ, in München beim FC Bayern zwei Spieler aus der Mannschaft ausgestoßen wurden, die als Vorbilder der Jugend offenbar nicht mehr geeignet sind.

Die Bayern sind, als einzige deutsche Mannschaft, dort schon angekommen, wo auch der AC Mailand spielt: in der unsichtbaren Liga der ganz Großen, für die die Champions-League das einzige angemessene Forum ist und für die das große Fernseh-Geld überhaupt erfunden wurde. Umso empfindlicher reagiert man hier, wenn Fußballhelden sich nicht als Fußballhelden aufführen, sondern Schlimmeres machen, als nur, wie Effenberg, den Stinkefinger zu zeigen.

Die Rede ist von Mario Basler und vom zweiten Torhüter Sven Scheuer, den viele, mindestens aber er selbst, für einen der besten Torhüter der Liga halten. Basler kann nicht nur traumhaft kicken, er kann offenbar auch maßlos saufen. Er schlägt, heißt es, über die Stränge, randaliert in Nachtlokalen, tanzt auf Tischen, bedroht Mitmenschen, die sich beschweren und soll (!) Geld verzocken. In einer Nacht angeblich 380 000 Mark.

Darf der das? Darf der das nicht, wo er doch Millionen verdient, die er ebenso gut in der Pfeife rauchen dürfte? Kann der, wenn er auf dem Rasen brilliert, nicht die Sau rauslassen, wie jeder andere betuchte Sterbliche auch? Die Bayern, allen voran Beckenbauer und Uli Hoeneß, fanden: nein - und schmissen den begnadeten Edelkicker mit den miesen Manieren aus dem Team.

Warum? Wohl vor allem, um dem Fußball, wenigstens noch dem Schein nach, seinen Mythos zu wahren, der längst im großen Geld und in Koks (siehe Maradona!) zu ertrinken droht, den Mythos, für den Hertha gerade in dieser Woche ganze Arbeit geleistet hat. Fußball-Stars machen Werbung für den Sport, gegen Drogen und - obwohl sie Stars sind - für das Team, die Mannschaft, die Kameradschaft.

Da kann man, wenn man die Begeisterung der Fans am Leben erhalten will, schwarze Schafe, die sich (angeblich) mit zweifelhaften Freunden umgeben und gegen ihre Fans randalieren, nicht hinnehmen. Wie jedes Geschäft, braucht der Fußball den schönen Anschein.

Der besteht aus Teamgeist, Rackerei, Entsagung. Gerade in Deutschland, wo die Wiedergeburt der Nation 1954 aus dem Fußball erfolgte. Unsere Helden sollen nüchtern sein, Arbeitstiere, ohne Eskapaden, solche, denen man nachstrebt. Fritz Walter eben oder Uwe Seeler. Dazu taugt Mario Basler nicht. Jedenfalls nicht in München, das sich leisten kann, ihn sich nicht zu leisten. Anders sieht es in Kaiserslautern aus. Denen reicht zur Not ein Basler mit Kater. Erst kommt das Kicken und dann die Moral.

Hellmuth Karasek

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