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Neuer Frontmann. Julian Nagelsmann (vorne) soll die Nationalmannschaft in eine bessere Zukunft führen.

© dpa/Jörg Halisch

Eloquent, selbstbewusst und dem Job angemessen: So präsentiert sich Julian Nagelsmann als neuer Bundestrainer

Zu jung, zu flippig, zu verkopft: Bei seiner Vorstellung als neuer Trainer der Fußball-Nationalmannschaft versucht Julian Nagelsmann einige Vorurteile gegen sich zu widerlegen.

Nicht alles, was in der Öffentlichkeit über Julian Nagelsmann kursiert, entspricht offenbar der Wahrheit. Der 36-Jährige steht – zumindest was seine Arbeit als Trainer betrifft – im Ruf, recht verkopft zu sein. Nagelsmann selbst schätzt sich ganz anders ein. Er sei jemand, der sich sehr stark von seinem Bauchgefühl leiten lasse. „Das ist nicht immer gut“, sagte er. „Da kauft man auch schon mal eine Hose, die man nicht hätte kaufen sollen.“

Oder andere Kleidungsstücke, die man vielleicht nicht hätte kaufen sollen. Julian Nagelsmann und seine Klamotten: Das ist auf jeden Fall ein weites Feld. Doch als er am Freitagmittag in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zwischen Bernd Neuendorf und Rudi Völler auf dem Podium Platz nahm, da gab es in dieser Hinsicht nichts zu bekritteln.

Nagelsmann trug schlichtes Schwarz, dem staatstragenden Anlass durchaus angemessen. Einerseits. Andererseits auch wieder nicht.

Denn nach zuletzt einigen düsteren Stunden für den DFB war die Vorstellung von Julian Nagelsmann als neuer Bundestrainer der Fußball-Nationalmannschaft eine freudige und durchaus heitere Veranstaltung. „Wunderbar“, „großartig“, „top“, all das war vom Podium zu vernehmen.

Um einen guten Geist zu entwickeln, bedarf es einer guten Idee.

Julian Nagelsmann, neuer Bundestrainer

„Ich freu mich sehr, dass er da ist“, sagte DFB-Präsident Neuendorf, der seine Zufriedenheit ebenso wenig verbergen konnte wie Sportdirektor Völler. Ein Glücksfall sei es, dass ein so begehrter Trainer wie Nagelsmann aktuell auf dem Markt gewesen sei, erklärte Völler. „Er ist genau der Richtige mit seiner Art. Er wird es top hinkriegen.“

Der frühere Trainer des FC Bayern München war ja tatsächlich so etwas wie der größtmögliche Name, der sich derzeit für die Nachfolge des glücklosen Hansi Flick als Bundestrainer denken ließ. Seine fachliche Qualität hat Nagelsmann zur Genüge nachgewiesen, seitdem er im Februar 2016 mit gerade einmal 28 Jahren Cheftrainer in der Bundesliga geworden ist.

Nagelsmann kann einzelne Spieler besser machen

Er kann Mannschaften, aber auch einzelne Spieler besser machen. Man denke nur an Nico Schulz, den früheren Linksverteidiger der TSG Hoffenheim, der es nicht zuletzt dank Nagelsmann bis in die Nationalmannschaft geschafft hat.

Im internen Ranking der möglichen Kandidaten sei Nagelsmann die Nummer eins gewesen, berichtete Neuendorf. Am Dienstag dieser Woche fand in Köln das erste Treffen mit ihm statt. Mehrere Stunden dauerte es. Danach hatte der DFB-Präsident das Gefühl: „Ja, das geht auf, das ist eine wunderbare Konstellation.“ Auch Rudi Völler, der noch eigene Nachforschungen über den Kandidaten anstellte, hörte „nur Positives“.

Dass es in der Öffentlichkeit hier und da auch Vorbehalte gab (zu jung, zu – siehe oben – flippig, zu – siehe oben – verkopft), das ist zumindest Nagelsmann selbst nicht verborgen geblieben. Ungefragt erklärte er: „Es wird nix verkompliziert.“

Wir werden keine 14 oder 15 Grundordnungen spielen. Keine Sorge.

Julian Nagelsmann bei seiner Vorstellung

Überhaupt schien er bemüht, die über ihn kursierenden Vorurteile nicht weiter zu bedienen. Nagelsmann präsentierte sich eloquent, aber nicht überdreht, selbstbewusst, aber nicht selbstbesoffen und damit dem neuen Job durchaus angemessen.

Einfachheit, wie sie zuletzt im Länderspiel gegen Frankreich unter Interims-Teamchef Völler zu beobachten war, „ist ein wichtiger Punkt“, erklärte der Bundestrainer. Bei der Nationalmannschaft werde es naturgemäß „nicht so komplex und kompliziert wie im Vereinsfußball“ zugehen können.

Man kennt sich. In der A-Jugend trafen Julian Nagelsmann (hinten) und Sandro Wagner als Spieler von 1860 München und dem FC Bayern aufeinander. Künftig arbeiten sie gemeinsam für die Nationalmannschaft.
Man kennt sich. In der A-Jugend trafen Julian Nagelsmann (hinten) und Sandro Wagner als Spieler von 1860 München und dem FC Bayern aufeinander. Künftig arbeiten sie gemeinsam für die Nationalmannschaft.

© imago images/Frinke

Trotzdem sei es ihm wichtig, eine fußballerische Idee für sein neues Team zu entwickeln, denn: „Um einen guten Geist zu entwickeln, bedarf es einer guten Idee.“ Und die besteht laut Nagelsmann in einer gesunden Aggressivität Richtung gegnerisches Tor, nicht nur bei eigenem Ballbesitz.

Doch auch wenn er die Dinge als Trainer nicht unnötig verkomplizieren will, soll die Mannschaft in der Lage sein, im Spiel auf unterschiedliche Herausforderungen zu reagieren. „Das heißt nicht, dass wir 14 oder 15 Grundordnungen spielen“, sagte Nagelsmann. „Keine Sorge.“

Neben seinem langjährigem Assistenten Benjamin Glück, 37, wird auch der frühere Nationalspieler Sandro Wagner dem Trainerteam angehören. Nagelsmanns Vertrag läuft bis zum Ende der Heim-EM im kommenden Sommer. Das Ziel ist – ungeachtet der unbefriedigenden Ergebnisse in jüngerer Vergangenheit – der Titel. „Das ist selbstredend“, sagte Nagelsmann. „Generell nimmt man an einem Turnier teil, um es zu gewinnen.“

Ob die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem DFB nach der EM wirklich endet, ließ der neue Bundestrainer bewusst offen. Dass die Laufzeit eine geringe Aussagekraft hat, zeige ja seine eigene Geschichte bei den Bayern. Obwohl er dort bis 2026 unter Vertrag stand, wurde er im März dieses Jahres freigestellt.

„Es ist wichtig, dass die Arbeit Vertrauen schafft und nicht das Vertragspapier“, sagte Nagelsmann. Sollte sich diese Arbeit tatsächlich als befruchtend und erfolgreich herausstellen, „dann ist von meiner Seite da auch nichts ausgeschlossen“, erklärte er. Jetzt aber sei er erst einmal froh, „dass ich die Chance habe, die Fehler, die ich bei den Bayern gemacht habe, nicht mehr zu machen“.

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