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Solidarität mit einem Schummler. Fenerbahce-Präsident Yildirim bleibt in Haft, sein Klub kommt straffrei davon. Foto: dpa

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Sport: Ende der Aufklärung

Im türkischen Betrugsskandal bestraft der Verband Fußballer und Funktionäre – aber nicht die Vereine.

Zehn Monate nach Bekanntwerden des größten Manipulationsskandals in der Geschichte des türkischen Fußballs hat der Verband des Landes am Montag alle Vereine freigesprochen und nur einzelne Spieler und Funktionäre für schuldig befunden. Sie erhielten mehrjährige Platzverbote, mögliche Sanktionen gegen die Vereine selbst sind aber vom Tisch. Kritiker werfen dem Verband vor, den Skandal unter den Teppich kehren zu wollen. Ob der europäische Fußballverband Uefa die Entscheidung akzeptiert, ist offen.

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass in der vergangenen Saison 18 Spiele mit Bestechungszahlungen manipuliert wurden. Anfang Juli vergangenen Jahres hatte die Justiz deshalb den Präsidenten des amtierenden Meisters Fenerbahce Istanbul, Aziz Yildirim, und mehrere Dutzend andere Repräsentanten anderer Vereine festnehmen und in Untersuchungshaft stecken lassen. Yildirim, ein wohlhabender Bauunternehmer, soll den Meistertitel der Saison 2010/2011 für Fenerbahce mehr oder weniger gekauft haben. Er und andere Angeklagte stehen seit Februar vor Gericht; ihnen drohen hohe Haftstrafen.

Dennoch verzichtete der Disziplinarausschuss des türkischen Verbandes nun auf eine Bestrafung von Fenerbahce und anderen involvierten Klubs. Verbandspräsident Yildirim Demirönen hatte bereits in der Vorwoche mit der Bemerkung die Richtung vorgegeben, es habe keinen großen Skandal, sondern nur einige Schummelversuche ohne Auswirkungen auf das Spielgeschehen gegeben. Der Disziplinarausschuss PFDK beschränkte sich darauf, rund ein Dutzend Einzelpersonen mit mehrjährigen Spiel- und Tätigkeitsverboten im Sport zu bestrafen. Bereits wenige Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidungen merkten Kommentatoren an, dass hier lediglich einige Sündenböcke präsentiert würden, nicht aber die Ergebnisse einer ehrlichen Aufklärungsarbeit.

Ein Beispiel war der Profi Ibrahim Akin, der ein dreijähriges Spielverbot erhielt. Akin hatte im vergangenen Sommer gestanden, er habe sich als Spieler der Mannschaft IBB Istanbul vor einem Spiel gegen Yildirims Verein Fenerbahce bestechen lassen. Nun wurde Akin bestraft – allerdings als einziger Akteur im Zusammenhang mit der fraglichen Begegnung. Der Disziplinarausschuss bestrafte also nur den bestechlichen Spieler, nicht aber diejenigen, die ihn bestochen hatten. Damit sei Akin ganz offiziell der erste Fußballer der Welt, der das Kunststück fertiggebracht habe, sich ganz alleine zu bestechen, höhnten türkische Medien.

Mehmet Ali Birand, einer der angesehensten Journalisten des Landes, reagierte entsetzt auf die Entscheidungen des Verbandes. Die PFDK-Untersuchung widerspreche den internationalen Standards und wolle dem Publikum allen Ernstes suggerieren, dass die Weste des türkischen Fußballs bis auf wenige Ausnahmen blütenweiß sei. „Mehr als komisch“ sei das. Für die Zukunft bedeute der Persilschein für die Vereine nichts Gutes, merkte der frühere Nationalspieler Hakan Ünsal an. Künftige Manipulationssünder könnten in der PFDK-Entscheidung eine Aufforderung sehen: „Auf geht’s.“

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