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Schluss mit Standtennis. Julia Görges hat an ihrer Athletik gearbeitet, in Paris hat sie die erste Runde schon überstanden.

© dpa

Tennis: Endlich erstklassig

Die deutschen Frauen greifen im Tennis wieder an: Julia Görges und Andrea Petkovic gelten nach ihrem rasanten Aufstieg jetzt sogar als Geheimfavoritinnen bei den French Open.

Manchmal reichen schon neun Tage aus, um zwanzig Jahre wie im Zeitraffer erscheinen zu lassen. Neun Tage, die wie im Rausch verflogen, waren es, die dem deutschen Frauentennis plötzlich wieder Leben einhauchten. Und die die lange Dürrezeit vergessen machten, die seit den goldenen Zeiten von Steffi Graf geherrscht hatte. Neun Tage lang wurde der Ascheplatz in der Stuttgarter Arena Mitte April so etwas wie die Geburtsstätte eines „Mini-Booms“, wie es Andrea Petkovic nannte. Sie war als Weltranglisten-12. und damit derzeit beste deutsche Spielerin zuerst vorweg gegangen, als sich das Fed-Cup-Team durch einen souveränen 5:0-Sieg gegen die USA den Aufstieg in die Weltgruppe sicherte. Sie waren wieder erstklassig, mit einer erstklassigen Leistung. Das wollen sie nun auch bei den French Open in Paris beweisen.

Die Stimmung in der Stuttgarter Arena erinnerte an längst vergangene Zeiten, und sie sollte auch nicht abebben, als im Anschluss an den Fed-Cup der Grand Prix stattfand – das einzige verbliebene deutsche Frauenturnier. Es wurde die Woche der Julia Görges, die sich im Windschatten von Petkovic zum besten Tennis ihres Lebens aufschwang. Der Titel gehörte ihr mitsamt dem Siegersportwagen und 500 000 Euro Preisgeld, und auch wenn es kein Grand-Slam-Sieg war, so schlug Görges im Finale doch Caroline Wozniacki. Seit Graf hatte keine deutsche Spielerin mehr die Nummer eins der Welt in einem Endspiel bezwungen. 22 Jahre ist Görges alt, 1,80 Meter groß und eine hübsche Erscheinung. Sie stammt aus Bad Oldesloe nördlich von Hamburg und ist seit fünf Jahren Profi. Doch erst seit sie mit Sascha Nensel, dem ehemaligen Trainer von Nicolas Kiefer, arbeitet, geht es mit ihrer Karriere steil bergauf. Inzwischen ist sie die Nummer 18 der Welt.

Nensel verschärfte ihr Fitnessprogramm derart, dass sich Görges mittlerweile fühlt, als habe sie jahrelang nur „Standtennis“ fabriziert. Ihre Fitness ist nun ihr großes Plus, auch wenn ihr der Einsatz nicht immer leicht fällt. „Sascha tritt mich in den Hintern, wenn ich es brauche“, sagt Görges. Auch beim Masters in Madrid vor zwei Wochen zeitigte die Methode Wirkung, wieder schlug sie Wozniacki und stürmte bis ins Halbfinale. Petkovic und Görges sind erfrischend uneitel und locker. Viel zu lange wurden die Zuschauer mit seelenlosem, stoischem Geprügel von der Grundlinie gequält – das deutsche Duo setzt dagegen auf attraktives Winkelspiel und Tempowechsel. Den Spaß, den sie selbst haben, geben sie dem Publikum weiter. „Ich sehe uns vor allem als Entertainer, nicht als Sportler“, sagt Petkovic.

Dass sie plötzlich so im Fokus stehen, daran haben sie sich allerdings noch nicht ganz gewöhnt. „Aber das Interesse zeigt auch einen Respekt für unsere harte Arbeit“, fügt Görges an. Beide gehen auf ihre Art mit den gesteigerten Erwartungen und dem erhöhten Druck um, der nun mit dem wachsenden Erfolg vor den French Open einhergeht. Die eloquente Petkovic erlegte sich selbst ein Schweigegelübde für die Medien auf, telefonierte dafür regelmäßig mit ihrem Mentalcoach Holger Fischer. „Ich wollte nach dem Hype wieder zu mir finden“, sagte Petkovic, nachdem ihr der Titel in Straßburg am Wochenende Recht gegeben hatte. Besser hätte die Vorbereitung auf Paris kaum laufen können, die 23-Jährige beginnt heute das Turnier gegen die Serbin Bojana Jovanovski.

Görges überstand bereits die erste Runde mit einem glatten 6:1, 6:4-Sieg über die Französin Mathilde Johansson auf dem Hauptplatz, dem Court Philippe Chatrier. Die Fragen zum Match beantwortete Görges danach im größten Presseraum von Roland Garros. Inzwischen sind auch die internationalen Medien auf die deutschen Spielerinnen aufmerksam geworden, sehen sie in Paris gar als Geheimfavoritinnen auf den Titel. Doch weder Julia Görges noch Andrea Petkovic laufen Gefahr abzuheben. „Ich bin bei keinem Grand Slam je weiter als Runde drei gekommen“, stellte Görges klar, „sicher, ich habe jetzt mehr Selbstvertrauen, aber ich habe hier noch gar nichts gewonnen.“ Das könnte sich aber bald ändern.

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