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Sport: Entzündliche Substanz

Der englische Fußball kämpft wieder mit Rassismus.

London - Selten war vor einem Wochenende die Angst vor unrühmlichen Situationen größer. Auf Druck der Polizei wurden die FA-Cup-Paarungen Queens Park Rangers gegen Chelsea und Liverpool gegen Manchester United auf Samstagmittag vorverlegt, die Anhänger sollen so nicht die Zeit bekommen, übermäßig Alkohol zu konsumieren. Aber damit dürfte es nicht getan sein. Hoch entzündliche Substanzen werden auch so in die Stadien gelangen, in Form von Hass in den Köpfen und Herzen tausender Zuschauer. Der Rassismus, ein eigentlich überkommen geglaubtes Problem im englischen Fußball, erweist sich in diesen Monaten als erschreckend akutes Phänomen.

In West-London begegnet Chelseas Kapitän John Terry Verteidiger Antony Ferdinand von den Queens Park Rangers wieder. Terry soll beim 0:1 gegen diesen Klub im Oktober seinen Gegenspieler rassistisch beleidigt haben. Die Polizei sammelte Beweise, in der nächsten Woche muss sich der Kapitän der englischen Nationalmannschaft vor Gericht verantworten. Ferdinand erwägt nun, Terry den obligatorischen Handschlag vor Anpfiff zu verweigern. In der aufgeheizten Stimmung wird auch dieses Detail zum Politikum, da die Affäre längst den Rasen transzendiert. Terry-unterstützende Anhänger fielen diesen Winter wiederholt mit rassistischen Gesängen gegen Ferdinand auf. Erst am vergangenen Samstag nahm die Polizei in Norwich mehrere Fans fest. Mit einer gemeinsamen Erklärung wollen die Vereine ähnliche Vorkommnisse verhindern. „Diskriminierung hat keinen Platz im Fußball oder der Gesellschaft“, hieß es im Kommuniqué, „Hass und Beleidigungen haben nichts damit zu tun, ein Fan von Chelsea oder QPR zu sein“.

Schlimme Befürchtungen gibt es auch im Nordwesten der Insel. Liverpool gegen Manchester United war noch nie ein von Freundschaft geprägtes Derby, aber seit dem Zwist zwischen Liverpools Luis Suárez und Uniteds Patrice Evra im Ligaspiel vor drei Monaten hat die Beziehung einen neuen Tiefpunkt erreicht. Suárez wurde vom Verband für schuldig befunden, den Franzosen Evra rassistisch beleidigt zu haben und für acht Spiele gesperrt. Evra droht jetzt ein Spießrutenlauf. Überhaupt geht die große Sorge um, dass die vorbildliche Arbeit, die in der Premier League diesbezüglich jahrelang geleistet wurde, von der aktuellen Entwicklung untergraben wird. „Es ist eine Pestbeule, die jetzt zum Platzen gebracht werden muss“, sagt der Liverpooler Parlamentsabgeordnete Steve Rotheram.Raphael Honigstein

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