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Sport: Ernstes Entertainment

Wie Herthas Manager Dieter Hoeneß die aufgebrachten Mitglieder zum Jubeln brachte

Berlin. Das Haupt von Dieter Hoeneß glänzt. Die Scheinwerfer folgen ihm. Was der mächtige Mann von Hertha BSC jetzt zu sagen hat, möchte er nicht im Sitzen sagen. Seine Stimme ist fest, seine Worte sind gewählt. Sie müssen sitzen. Wird Dieter Hoeneß die knapp 700 Vereinsmitglieder beruhigen können, die sich eben in Rage gepfiffen haben? Dreimal hintereinander hat Hertha in der Fußball-Bundesliga verloren, der Platz im Uefa-Cup ist in Gefahr. Hoeneß weiß, dieser Montagabend ist kein guter Termin für eine Mitgliederversammlung. Egal, sie läuft, und Hoeneß muss die aufgebrachte Menge einfangen. Es ist kurz nach sieben. Ernstes Entertainment im ICC, Saal 3.

Stünde Harald Juhnke jetzt da oben auf der Bühne, würde er vermutlich seine Version von „My Way“ zum Besten gegeben. Singen aber kann Hoeneß nicht, dafür hat er sich für sein angekratztes Publikum eine hübsche Choreographie ausgedacht. Rasch erzählt er noch die Geschichte von vor drei Tagen. Da haben nach der Niederlage in Wolfsburg die Fans von Hertha die Abfahrt des Mannschaftsbusses verhindert. Böse Worte sind gefallen, von „Schalker Schweine“ (das galt Trainer Stevens) und „Scheiß-Millionäre“ (die Spieler) bis hin zu „Hoeneß raus“. Und genau in diesem Moment hebt Hoeneß den Kopf, blickt zu einem Seiteneingang und sagt: „Und hier ist unsere Mannschaft.“ Im Gänsemarsch und dunkler Vereinstracht kommen die Spieler in den Saal spaziert, vorne weg Huub Stevens. „Die Mannschaft stellt sich, der Trainer auch“, ruft Dieter Hoeneß in die Menge. Die ist jetzt richtig aufgewühlt, hin- und hergerissen. Ein paar Pfiffe im Saal, dann Applaus, der erst in rhythmisches Klatschen übergeht, später dann in stehende Ovationen. Die Stimmung kippt. Hertha ist wieder eine Familie, und alle haben sich lieb.

Was sich in den nächsten Minuten abspielen soll, ähnelt einem Rührstück. Verdiente Spieler werden verabschiedet. Erst René Tretschok, dann Rob Maas. Bei Stefan Beinlich grölen die Mitglieder „Paule, Paule“, bei Michael Preetz und Eyjölfur Sverrisson haben fast alle Tränen in den Augen. Schließlich muss der Trainer noch was sagen. Er sagt: „Wir müssen zusammenstehen, gerade in schlechten Zeiten.“ Dann verlässt das kickende Personal den Saal.

Dieter Hoeneß bleibt und mit ihm eine Tagesordnung mit Berichten der unterschiedlichsten Art und Gremien, mit Satzungsänderungen und, und, und. Aber: Die Mitglieder sind auf Linie gebracht. Schließlich holt Hoeneß ganz weit aus. „Hertha BSC holt einen Nationalspieler – wir haben uns heute mit Fredi Bobic geeinigt.“ Spätestens jetzt ist der Abend gerettet.

Da kann kommen, was und wer will. Zum Beispiel Wolfgang Holst, ehemals Präsident des Vereins, berühmt und gefürchtet wegen seiner heiklen Reden mit viel Phon und Schmiss. Zuletzt ist der 81-Jährige untergekommen im Strategieausschuss des Vereins. Viel klagen will auch er nicht. Hoeneß sei „ein Glücksfall für Hertha“, sagt Holst, und er wirkt dabei wie Käpt’n Blaubär, wie ein Mitglied findet.

Selbst Tagesordnungspunkt 7, „Aussprache zu den Berichten“, in der Vergangenheit verlässlich ein Höhepunkt, verläuft seicht. Nein, Hertha hat an vielen Fronten gut gearbeitet. Der Etat (49,2 Millionen Euro) für die kommende Saison steht, die Zahl der Mitglieder wächst (10 200). Schließlich darf Hoeneß verkünden, dass Alex Alves, „ein Reizthema der vergangenen dreieinhalb Jahre“, keine Sorgen mehr machen wird. Mit dem brasilianischen Stürmer, der sich als unerziehbarer Störenfried entpuppte, habe man den Vertrag aufgelöst.

Was denn aus den anderen Spielern geworden sei, die als Rohdiamanten vorgestellt wurden, will eine Dame wissen. „Wenn wir nur Volltreffer landen würden, wären wir die Einzigen“, antwortet Hoeneß. Die Menge nickt. Was Trainer Stevens betrifft, wird der noch ein wenig geschliffen werden müssen, denn der Holländer ist ein wenig zu schroff zum bedingungslosen Liebhaben. Hoeneß weiß, dass er da noch ein wenig Arbeit hat. Die nächste Versammlung kommt bestimmt.

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