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Sport: „Erstmal ein Nickerchen“

Profisegler Tim Kröger über die Flaute beim America’s Cup, Demut vor der See und Bier an Land

Herr Kröger, gestern wurde beim America’s Cup wieder nicht gesegelt. Die Flaute setzt dem Cup gerade in seiner Auftaktwoche ziemlich zu. Ihnen auch?

Es ist eine Katastrophe. Es ist nicht nur eine mittelschwere Katastrophe, sondern eine komplette Katastrophe. Für alle, die hier ihr Geld reinstecken und vor allem für das Fernsehen. Dieser America’s Cup sollte den Segelsport endlich mal populärer machen, ihn im rechten Licht erscheinen lassen. Für alle Beteiligten ist das ein herber Rückschlag. Das frustriert mich wirklich sehr.

Sie sprechen das Fernsehen an. Für diejenigen, die den Segelsport aufgrund seiner unkalkulierbaren Wetterbedingungen für nicht fernsehtauglich halten, ist die Flaute natürlich ein starkes Argument, wieder von der Live-Berichterstattung abzurücken. Was halten Sie dagegen?

Man muss auf jeden Fall mutiger sein. Wenn niemand Mut aufbringen würde, dann würde die Menschheit nur in ihrem kleinen Kämmerlein sitzen. Die technischen Voraussetzungen, um Segelsport spannend und attraktiv für das Publikum zu transportieren, die sind definitiv da. Aber wenn kein Wind da ist, ist kein Wind da. Da muss man auch mal ein bisschen gelassener bleiben und nicht gleich auf die Quoten schielen.

Das fällt Ihnen sicher schwer.

Klar, für uns Segler ist das todlangweilig. Die Windbedingungen sind echt pervers. Aber für einen Segler gehört es auch dazu, auf Wind zu warten. Das ist Teil des Spiels. Wer schon mal um die Welt gesegelt ist und am Äquator in einem Flautenloch gesessen hat, der weiß, wie frustrierend das ist. Da sitzt du schon mal einen oder anderthalb Tage und schaust aufs spiegelglatte Wasser und lässt die Beine baumeln. Das schlimme ist ja: Du kannst da nicht sagen, ich hab jetzt keine Lust mehr und fahr nach Hause. In so einem Loch sitzt du einfach fest.

Da sehen Sie das hier eher gelassen?

Hier ist das gar nicht so dramatisch. Wir fahren raus, sitzen fünf Stunden auf den Booten und fahren dann wieder nach Hause, ins Hotel, in unsere Wohnung. Da kannst du was essen, ein Bier trinken. Im Vergleich zu einer Flaute bei einer Weltumseglung ist das hier totaler Luxus. Deswegen irritiert mich das kein bisschen, da draußen fünf Stunden rumzueiern. Die See macht einen demütig.

Was macht man denn so die ganze Zeit auf dem Wasser? Die Deutschen haben diese Woche ein Schachturnier auf dem Boot ausgetragen.

Als wir vorgestern aufs Meer raus sind, da habe ich direkt gesehen: Das gibt nix mit dem Wind. Da habe ich mich erstmal für zwei Stunden zu einem Nickerchen abgemeldet. Was willst du sonst machen? Das nächste Mal bin ich besser vorbereitet. Da nehme ich mir ein Buch mit.

Und wenn man nicht schläft, über welche Themen unterhält man sich?

Besondere Themen gibt es natürlich immer, aber die gehen uns langsam aus. Wir sind nun einmal ein junges Team und da werden viele Geschichten vom Land und von der See erzählt. Aber die laufen alle unter dem Dekret: Was auf dem Boot passiert und gesagt wird, bleibt auf dem Boot.

Ist es eigentlich schwierig, die Spannung und Motivation in so einer Situation aufrecht zu erhalten?

Wir sind immer vorbereitet, dass was passieren kann. Das hatten wir ja auch schon beim Training, dass es keinen Wind gab. In dem Augenblick, wo es losgeht, startet unser Räderwerk, dann beginnt das Adrenalin zu rauschen. Das geht ruckzuck.

Viele kritisieren nun, dass Valencia doch keine gute Wahl war. Denn eigentlich hatte man die Stadt gerade wegen ihrer stabilen Windbedingungen auserkoren.

Die Kritik ist völlig lächerlich. Im letzten Jahr hatten wir perfekte Bedingungen zu dieser Jahreszeit. Das hängt halt mit der Wetterlage in Europa zusammen. Es ist hier einfach noch zu kühl, die Erde kann sich nicht richtig erwärmen, also gibt es auch keine vernünftige Brise. Aber da muss man nicht gleich die Flinte auf Valencia richten. Wenn der Sommer kommt, dann kommt auch der Wind. Da mache ich mir gar keinen Kopf.

Das Gespräch führte Ingo Petz.

Tim Kröger, 42, ist einer der wenigen deutschen Profisegler mit internationalem Ruf. Er segelte mehrmals um die Welt und ist beim America’s Cup Boat Captain des Teams Shosholoza.

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