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Die Hände sind geöffnet. Funktionär Jack Warner gilt als Wiederholungstäter für mangelnde Transparenz in der Fifa. Foto: dpa

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Es bleibt in der Familie: Korruptionsvorwürfe erschüttern die Fifa

Neue Korruptionsvorwürfe erschüttern den Fußball-Weltverband Fifa – sie können den Wahlkampf ums Präsidentenamt entscheiden. Eine Analyse.

Berlin - Zum Anforderungsprofil eines Funktionärs im Milliardenbusiness Fußball gehört die Fähigkeit, etwas zu sagen, was nichts zu bedeuten hat. „Ich bedaure die Anschuldigungen zutiefst“, sagt also Nicolas Leoz aus Paraguay. „Die Vorwürfe erscheinen mir absurd“, sagt also Ricardo Teixeira aus Brasilien. „Das ist alles eine reine Erfindung“, sagt also Issa Hayatou aus Kamerun. „Ich habe niemals Geld für meine Stimme gefordert“, sagt also Jack Warner aus Trinidad und Tobago. Konkret geäußert aber haben sich diese wichtigen Häupter des Fußball-Weltverbandes Fifa nicht zu den doch ziemlich konkreten Vorwürfen des englischen Fußballverbandes, sie hätten im Zuge der umstrittenen Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften an Russland 2018 und Katar 2022 Geld für Stimmen getauscht.

Nicht nur im Falle Jack Warners, einer Art Wiederholungstäter für mangelnde Transparenz, sind Zweifel an den dehnbaren Dementis angebracht. Und wenn schon: Die von der Fifa-Regierung selbst bestimmte, also keineswegs unabhängige Ethikkommission des Verbandes, hat Warner selbst für klar erwiesene Selbstbereicherungsgeschäfte mit WM-Tickets nicht ausschließen wollen. Schließlich ist der Chef des mittel- und nordamerikanischen Fußballverbandes (Concacaf) stets einer der wichtigsten Stimmensammler für Fifa-Präsident Joseph Blatter gewesen. Auch bei der anstehenden Kampfabstimmung zwischen Blatter und Herausforderer Mohamed bin Hammam am 1. Juni in Zürich könnten die von ihm organisierten Stimmenpakete den Ausschlag geben. Womöglich auch die neuen Vorwürfe.

Der von Issa Hayatou geführte afrikanische Fußballverband (CAF) musste bereits eingestehen, dass Katars WM-Bewerber einen CAF-Kongress mit 1,8 Millionen Dollar gesponsort haben. Und die englische „Sunday Times“ will sogar von zwei (allerdings nicht namentlich benannten) Mitgliedern der Fifa-Exekutive wissen, die je 1,5 Millionen Dollar für eine Stimmabgabe zugunsten Katars erhalten haben sollen. Überraschend sind die Vorwürfe nicht – insbesondere aus zwei Gründen: Sie kommen aus England, und sie treffen die Fifa mitten in der weltumspannenden Schlacht ums Präsidentenamt.

Auch im neuen Korruptionsskandal wird deutlich, dass die Abneigung zwischen dem Mutterland des Fußballs und seinem Weltverband längst in gegenseitigen Hass umgeschlagen ist. Die Schmach der gescheiterten englischen Bewerbung, die trotz bester infrastruktureller Bewertungen bei der WM-Wahl 2018 nur auf dem letzten Platz landete, schien alle europäischen Vorbehalte gegenüber einer korrupten Verbandsspitze in Zürich zu bestätigen. England hatte nach der WM-Wahl, die insbesondere wegen der von Blatter gewünschten Doppelvergabe für Mauscheleien anfällig war, sogar einen Austritt aus der Fifa erwogen. Schon mit dem Votum für das Nichtfußballland Katar hatte sich die Fifa weltweit Empörung eingefangen. Nun zertrümmern englische Funktionäre und Medien mit immer neuen Vorwürfen das ramponierte Image der selbst ernannten Fifa-Familie – genau in dem Moment, in dem Blatter zum wiederholten Mal „ein letztes Mal“ zur Wiederwahl antritt.

So seltsam es anmutet: Durch die aktuellen Vorwürfe ist der schon 75 Jahre alte Amtsinhaber plötzlich im Vorteil. Denn sein 14 Jahre jüngerer Herausforderer Bin Hammam kommt ausgerechnet aus Katar. Während nun Blatter achselzuckend verlauten lässt, er könne ja nicht wissen, wer in der Fifa-Exekutive ein Engel und wer ein Teufel sei, muss sich Bin Hammam auf seiner Homepage rechtfertigen. „Ich kann versichern, dass nichts passiert ist“, lässt der Chef des asiatischen Fußballverbandes (AFC) wissen. „Man kann viel sagen, um den Ruf eines Menschen zu beschädigen, aber wo ist der Beweis?“

Im Reich von Joseph Blatter und seiner Fifa-Familie scheint es einer Antwort darauf kaum noch zu bedürfen.

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