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Sport: „Es gibt ein gewisses Gefälle“

Oleg Protassow, Trainer von Herthas heutigem Gegner Steaua Bukarest, über privilegierte Hauptstadtklubs und glorreiche Zeiten in Rumänien

Herr Protassow, Ihre Mannschaft Steaua Bukarest ist derzeit Zweiter in der rumänischen Liga, einen Punkt hinter Dinamo Bukarest. Sie hat sich bereits für die nächste Runde des Uefa-Cups qualifiziert. Warum wollen Sie Steaua verlassen, gerade jetzt?

Es läuft wirklich alles sehr gut, besser als ich es mir bei meinem Antritt hätte vorstellen können. Meine Abwanderungsgedanken haben eher persönliche Gründe. Zudem hat mir mein Heimatverein, Dnjepr Dnjepropetrowsk, ein Angebot unterbreitet. Meine Entscheidung fälle ich aber erst nach dem Hertha-Spiel.

Das Spiel im Berliner Olympiastadion hat für Steaua eher symbolischen Charakter. Ist das Ganze für Sie mehr eine Art Betriebsausflug?

Das würde ich nicht so bezeichnen. Die Hinrunde in der Meisterschaft ist bei uns zwar beendet, und wir befinden uns bereits in der Winterpause, dennoch werden wir die Partie normal angehen. Es ist das letzte Spiel in diesem Jahr und, wie gesagt, vielleicht auch mein letztes Spiel als Steaua-Trainer. Deshalb möchten wir uns von unseren Fans mit einer guten Leistung verabschieden.

Sie waren zuvor Trainer in Griechenland und auf Zypern. Fiel Ihnen die Entscheidung schwer, nach Rumänien zu wechseln? Haben Sie Unterschiede in der Arbeitsauffassung festgestellt?

Als das Angebot von Steaua kam, habe ich keinen Moment gezögert. Der Klub besitzt eine exzellente Reputation und garantiert hervorragende Arbeitsbedingungen. Und ich war gerade arbeitslos. Das hat meine Entscheidung beschleunigt. Den Schritt habe ich nicht bereut. Abgesehen von der Tatsache, dass meine Familie in meiner Wahlheimat, in Athen, wohnt und das Wetter in Bukarest etwas trüb und kalt ist, fühle ich mich hier ganz wohl. Den einzigen Unterschied, den ich bis jetzt bemerkt habe, betrifft die Mentalität der Spieler: Die zollen hier dem Trainer mehr Respekt als in Griechenland.

Der rumänische Fußball war bis in die jüngste Vergangenheit hinein in den Schlagzeilen wegen Korruptionsvorfällen. Hat sich die Lage jetzt verändert?

Mir ist in der Zeit, in der ich hier arbeite, nichts Verdächtiges aufgefallen. Es gibt zwar ein gewisses Gefälle zwischen den zwei, drei Hauptstadtmannschaften Steaua, Dinamo und Rapid sowie den restlichen Klubs. Aber da habe ich in Griechenland nichts anderes erlebt. Und so viel ich weiß, hat erst vor knapp einem Jahr ein Schiedsrichterskandal den deutschen Fußball erschüttert. Wer hätte das vor ein paar Jahren erwartet?

Steaua hat 1986 überraschend den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Glauben Sie, dass die Strukturen in Rumänien jetzt wieder reif sind, um einen ähnlichen Erfolg zu wiederholen? Immerhin sind mit Steaua und Rapid bereits zwei Teams für die nächste Runde im Uefa-Cup qualifiziert, und Dinamo kann es am letzten Spieltag aus eigener Kraft auch noch schaffen.

Fakt ist, dass sich der rumänische Fußball im Aufwind befindet. Es wird gute Nachwuchsarbeit geleistet, und die Nationalmannschaft ist nur knapp in der WM-Qualifikation gescheitert. Ich bin zuversichtlich, dass die jetzige Spielergeneration an die glorreichen Zeiten von Hagi und Co. anknüpfen kann. Im rumänischen Fußball steckt enormes Potenzial.

Während Rumänien in der WM-Qualifikation gescheitert ist, hat sich Ihr Heimatland, die Ukraine, souverän durchgesetzt. Was trauen Sie dieser Mannschaft zu?

Das Ganze ist primär ein Verdienst von Oleg Blochin. Die Ukraine besaß immer exzellente Spieler, aber Blochin hat der Mannschaft eine Siegermentalität eingeimpft und ihr eine kluge Taktik verpasst. Allein die Tatsache, dass sie Mannschaften wie Griechenland oder die Türkei hinter sich gelassen hat, ist ein Beweis für die Stärke dieses Teams. Ich bin zuversichtlich, dass wir bei der WM als WM-Neuling mindestens das Achtelfinale erreichen werden. Das ist kein Hochmut. Spanien und die Ukraine sind die Favoriten in der Gruppe H.

Die Fragen stellte Dimitrios Dimoulas.

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