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Sport: Es gibt immer etwas anderes zu tun

Der NOFV zeigt wenig Engagement bei der Sanktionierung der Übergriffe auf den Nigerianer Ogungbure

Berlin - Wieder ist der Mond einmal um die Erde gewandert, und wieder ist nichts passiert. Vier Monate ist es inzwischen her, dass der Nigerianer Adebowale Ogungbure beim Oberligaspiel seines FC Sachsen Leipzig gegen den Halleschen FC derart rassistisch beleidigt und angegriffen wurde, dass er sich zu einem Hitlergruß provoziert sah. Drei Monate sind vergangen, seitdem der zuständige Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) verkündet hatte, er behalte sich vor, „die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen zu den Vorkommnissen (...) abzuwarten, um weitere sportrechtliche Schritte einzuleiten“.

Erste sportrechtliche Schritte hat es freilich schon gegeben, nicht jedoch im Fall Ogungbure. Der 24 Jahre alte Nigerianer war bei der einstündigen Verhandlung im April zwar anwesend, wurde laut Berichten von Augenzeugen aber nicht einmal befragt. Richter Wolfgang Zimutha befasste sich vorrangig mit den im Stadion von Zuschauern abgeschossenen Feuerwerkskörpern und verhängte Geldstrafen in Höhe von 600 Euro gegen Halle und 300 Euro gegen Leipzig. „Es wurden nur die Vorkommnisse verhandelt, die im Schiedsrichterbericht standen“, sagt Zimutha. Weil der Schiedsrichter die Aktionen um Ogungbure nicht notiert hatte, wurden sie auch nicht thematisiert und im Urteil nicht einmal erwähnt.

In Zukunft sollen deshalb auch Beobachtungen anderer Offizieller im Sportgerichtsverfahren zugelassen werden. „Wir arbeiten daran, dass künftig nicht nur die Aussagen der Schiedsrichter maßgeblich sind“, sagt Dieter Rieck. Rieck ist der Vorsitzende des NOFV-Sicherheitsausschusses und als solcher mit dem Fall betraut. Er habe zwar mit dem Innenministerium Sachsen-Anhalts in Kontakt gestanden, aber „ich muss zugeben, ich habe da nicht mehr nachgehakt, weil ich im Moment andere Sachen zu tun habe. Ich werde das aber demnächst wieder tun.“

Dies entspricht ungefähr dem Tenor in der Zentrale des NOFV. Ein großes Interesse an der Aufarbeitung der unappetitlichen Ereignisse vom 25. März lässt sich nicht ausmachen. Die neue Saison steht an, das Thema scheint vergessen. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Halle jedenfalls hat sich der Verband bis heute nicht gemeldet. „Bei uns ist keine Anfrage erfolgt oder Akteneinsicht beantragt worden“, sagt Oberstaatsanwalt Andreas Schiebeck. Dies müsse aber erfolgen, denn von sich aus teile die Staatsanwaltschaft Dritten keine Ergebnisse mit. Schiebeck berichtet, dass man weiterhin „Hinweisen gegen die unbekannten Rufer nazistischer und rassistischer Parolen“ nachgehe. Die Ermittlungen gegen Ogungbure, der den Hitlergruß lediglich als Reaktion auf die Anfeindungen gezeigt hatte, waren dagegen schon früh eingestellt worden.

Fraglich ist allerdings, ob der Zugang von Ermittlungsergebnissen überhaupt eine Auswirkung auf die Vorgehensweise des NOFV hätte. Zwar schließt Dieter Rieck nicht grundsätzlich aus, dass die Vorkommnisse noch einmal Verhandlungsgegenstand des Sportgerichts werden: „Das kommt auf die Ergebnisse an.“ Wolfgang Riemer, der Leiter Spielbetrieb des NOFV, ist jedoch überzeugt davon, dass der Fall Ogungbure „mit Sicherheit nicht noch einmal verhandelt“ wird. Und ein Insider vermutet: „Der NOFV will den Fall versanden lassen und erst beim nächsten Mal ein Exempel statuieren.“

Diese Taktik dürfte nicht unbedingt die Zustimmung von Theo Zwanziger finden. Der Präsident des Deutschen Fußball- Bundes (DFB) war nach Bekanntwerden der Vorfälle als engagierter Aufklärer aufgetreten und hatte vom NOFV einen umfassenden Bericht angefordert. Die Weltmeisterschaft hat seinen Eifer in dieser Hinsicht zuletzt offenbar ein wenig gebremst; bis heute hat sich der DFB jedenfalls nicht öffentlich positioniert und auch keine Konsequenzen in Aussicht gestellt. Nun sei Zwanziger wie auch NOFV-Präsident Hans-Georg Moldenhauer im Urlaub, sagt DFB-Pressesprecher Klaus Kolzenburg: „Danach werden sie ein Gespräch über die Angelegenheit führen.“

Christian Hönicke

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