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Was mich wohl erwartet? Die meisten Kinder freuen sich auf die Schule. Doch es gibt auch Sorgen: Finde ich Freunde? Sind die Lehrer nett? Je positiver Eltern mit dem Schulstart umgehen, desto sicherer ist der Nachwuchs.Foto: pict.-alliance/Bildagentur-online

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Den Schulstart sollte man gelassen angehen. Das gilt vor allem für die Eltern

Es geht ein Gespenst um in deutschen Kinderzimmern: Schulangst! Oder ist es vielleicht doch nur ein klitzekleiner Hausgeist? Während die meisten Fünf- und Sechsjährigen ihre Einschulung kaum noch erwarten können, macht sich bei einigen doch ein bisschen Beklemmung breit. Wie wird das alles werden nach den Sommerferien, dort in dem großen Haus, an dem man bisher immer nur vorbeigelaufen ist? Und manchmal sind es auch die Eltern, die sich Sorgen machen: Wird mein Kind der neuen Herausforderung gewachsen sein?

Die Erfahrungen von Martina Lozek sehen allerdings erst einmal anders aus. „Das Wort Schulangst habe ich von den Eltern bestimmt fünf Jahre nicht mehr gehört“, sagt die Leiterin des Fröbel-Kindergartens Traumzauberbaum in Mitte. Sie ergänzt aber auch, dass die Sorge der Eltern, ihre Kinder würden in der Schule nicht bestehen, in jedem Falle unterschwellig vorhanden sei. Die Kinder selbst freuten sich alle auf ihren ersten Schultag, so Lozek. An allererster Stelle fragten sie sich, ob sie dort neue Freunde finden und wie sie sich in der Gruppe zurechtfinden.

Auch für Wiebke Reinsch, Abteilungsleiterin für die Kitas beim Träger Pfefferwerk Stadtkultur, überwiegt bei den Kindern die Freude auf die Schule. Es gebe aber auch natürliche Ängste, zum Beispiel vor neuen Bezugspersonen oder der Institution Schule an sich. In ihrer Kita wüssten die Kinder, was sich hinter jeder Tür befindet – anders als bei der neuen Schule, diesem anonymen, riesigen Gebäude mit unendlich vielen Türen. „Mit den Kindern darüber zu sprechen: Wenn ich diese Tür öffne, dann sind dahinter Schulbänke, Stühle, da sind Schüler und ein Lehrer. Das kann man nicht oft genug machen.“

In ihren Kitas bemühe man sich auch, Druck von den Eltern zu nehmen, sagt Reinsch. Das Kind müsse eben nicht schon mit dem Federhalter umgehen oder mindestens drei Worte schreiben können, bevor es in die Schule kommt, wie manche Eltern irrtümlich meinten. Viel wichtiger sei, dass das Kind zu sich sagen könne: „Ich bin bereit, mich den neuen Aufgaben zu stellen.“

Machen Eltern sich Sorgen um den Entwicklungsstand ihres Kindes – etwa wenn sie es mit anderen Gleichaltrigen vergleichen –, rät der Leiter des Schulpsychologischen Beratungszentrums Tempelhof-Schöneberg, Klaus Seifried, zur Gelassenheit. Geduld haben und die Entwicklung in der Schulanfangsphase abwarten, lautet sein Tipp. Dann sei noch genug Zeit, sich an externe Berater wie Schulpsychologen zu wenden. Die flexible Schulanfangsphase habe gerade den großen Vorteil, dass Kinder unterschiedlicher Entwicklungsstufen auf verschiedenen Niveaus lernen können. „Das bringt Flexibilität und nimmt den Kindern auch ein Stück Leistungsdruck – oder gibt ihnen zusätzliche Lernanreize.“

So könnten eingeschulte Kinder ein Jahr länger oder kürzer in der Schulanfangsphase verbleiben, ohne dass das als Sitzenbleiben gelte. Bei Zweifeln über die Schulreife seien die ersten Ansprechpartner immer die konkreten Betreuungspersonen, etwa die Erzieher in der Kita. Wenn diese der Meinung sind, das Kind sei schulreif, dann sollte man es auch in der Schule anmelden.

Und bereits vor der Einschulung Lesen, Schreiben und Rechnen üben? Klaus Seifried winkt ab. „Vorschulkinder sollten ein Instrument lernen, Sport machen, kreative Dinge tun, aber bitte nicht den Lernstoff der Schule vorwegnehmen. Sonst langweilen sie sich später im Unterricht.“ Interessieren Kinder sich aus eigenem Antrieb für Buchstaben, Wörter und Zahlen, sollte man dem natürlich keinen Riegel vorschieben.

Brigitte Netta hat das sogenannte Amberger Modell mitentwickelt, das inzwischen in vielen deutschen Kitas angewendet wird, um den Übergang zur Schule für Kinder und Eltern zu vereinfachen. Die Leiterin des Kindergartens Sankt-Michael im bayrischen Amberg betont, dass der Schulanfang schrittweise stattfindet. „Übergang heißt ja gerade nicht: Zack, jetzt ist es Juli, und im August bist du ein Schulkind. Er beginnt lange davor und wirkt weit in die erste Klasse hinein.“ Nicht nur die Kinder, die ganze Familie komme in die Schule, der ganze Tagesablauf müsse neu geplant werden. Auch hier solle man entschleunigt, schrittweise vorgehen und dem Kind nicht alles auf einmal vorsetzen.

Und, betont Netta: Der Übergang Kita–Schule sollte nicht bloß als Ansammlung von Problemen gesehen werden – wie auch die Fähigkeiten des Kindes nicht nur auf Defizite abgeklopft werden sollten. Für Eltern hat sie hier den Tipp, ein „Könnerheft“ anzulegen: Wenn das Kind etwas lernt und stolz darauf ist, wird es in das Heft eingetragen. Bisherige Stolpersteine, wie etwa das frühe Aufstehen, werden damit zu eigenen Errungenschaften. Das Kind fasst mehr Vertrauen in sich: „Ich hab’s geschafft, ich kann jetzt auch früh aufstehen!“

Das Wichtigste sei Vertrauen in das eigene Kind, meint die Expertin. Denn je positiver und gelassener die Eltern an diesen Prozess herangehen, desto besser wird auch der kleine Schulanfänger den Übergang meistern.

Bojan Krstulovic

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