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Sport: Es waren mal elf Helden

Die Türkei scheitert an Lettland und trauert um sich selbst

Istanbul (seib). Die neuen Terroranschläge trafen die Menschen in Istanbul am Donnerstag mitten in ihrer Wut über das blamable Spiel der FußballNationalmannschaft gegen Lettland. Die Zeitungen waren voll von Häme und überboten sich im Beschimpfen der eigenen Mannschaft. Die Medien kannten kein Pardon, nachdem der WM-Dritte von 2002 es nicht geschafft hatte, sich gegen die bisher nicht gerade als Fußball-Macht aufgefallenen Letten für die Europameisterschaft in Portugal 2004 zu qualifizieren.

„Skandal des Jahrhunderts“, erboste sich die Zeitung „Fanatik“ und meinte: „Wir hielten uns für die Drittbesten der Welt, jetzt ist die Welt über unseren Köpfen zusammengebrochen.“ Andere Zeitungen beschworen „das Ende einer Epoche“, und das Massenblatt „Hürriyet“ schrieb von einem „historischen Schandfleck“.

Tatsächlich hatte niemand in der Türkei wirklich mit einem Ausscheiden gerechnet. Das 0:1 aus dem Hinspiel war wettzumachen, glaubten alle, und als es durch Tore von Ilhan Mansiz (20.) und Hakan Sükür (64.) 2:0 stand, hatten die Jubelfeiern auf den ausverkauften Rängen schon begonnen. Doch den frühen Freudentänzen folgte lähmendes Entsetzen, als die Letten plötzlich selbst zwei Tore erzielt hatten. Die türkischen Fans fanden allerdings recht bald einen Weg, sich an ihrer Mannschaft zu rächen. Sie fingen plötzlich an, für die Letten zu klatschen und feuerten die Gäste an. So viel Spott war selten in einem türkischen Stadion über die eigene Mannschaft verbreitet worden. Nun fordern alle den Rücktritt von Nationaltrainer Günes und von mehreren Stammspielern. Die Mannschaft, die bei der Weltmeisterschaft so gut abgeschnitten und viel zu einer neuen türkischen Identität beigetragen hatte, wird es in dieser Zusammensetzung wohl nicht mehr geben.

Am Tag nach der Niederlage aber war all das mit den ersten Nachrichten über die Selbstmordattentate in der Türkei sehr schnell sehr unwichtig geworden. Die Türkei hatte nun einen wirklich furchtbaren Grund, zu trauern.

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