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Wuchtiger Jubel. Peniel Mlapa erzielte das 2:0 für Mönchengladbach.

© AFP

Europa League: Mönchengladbachs Zweifel machen Pause

Borussia Mönchengladbach zieht viel Selbstvertrauen aus dem 2:0 gegen Olympique Marseille. Und Lucien Favre entdeckt im eigenen Kader mit dem Torschützen Peniel Mlapa den Stürmer, den er gesucht hat.

Lucien Favre zeigte echte Begeisterung. Der Trainer von Borussia Mönchengladbach hob immer wieder anerkennend die Augenbrauen, er schüttelte seinen Kopf, spitzte seinen Mund und prustete die Luft durch seine Lippen. Favre blickte in die Runde, als wollte er fragen: Erkennt ihr das auch, was gerade hier passiert? Eine unglaubliche Leistung. Seine Anerkennung galt dem Dolmetscher neben ihm, der seine Worte übersetzte, vom Deutschen ins Französische, genauso wie vom Französischen ins Deutsche, so schnell und präzise, wie es selbst Favre, der beider Sprachen mächtig ist, wohl nicht für möglich gehalten hätte.  Es war überhaupt nach langer Zeit mal wieder ein Abend, an dem der Trainer seine Begeisterung nach außen trug – auch in Bezug auf seine Mannschaft, die durch einen 2:0-Erfolg gegen Olympique Marseille ihre Chance auf ein Überwintern in der Europa League gewahrt hatte. „Dieses Spiel hat uns ganz klar Vertrauen gegeben“, sagte Favre. „Der Sieg ist gut für den Kopf.“ Das gilt wohl auch für ihn selbst und seine schwierige Mission in Mönchengladbach.

Nach nur einem Sieg aus den jüngsten neun Pflichtspielen war der Schweizer zuletzt vor allem durch Zweifel auffällig geworden. Rund um den Klub war daraufhin eine gewisse Gereiztheit aufgekommen, aus der Vereinsführung erging an den Trainer sogar der klare Auftrag, seine Skepsis künftig zu zügeln. Und so bemühte sich Favre am Donnerstag offensiv um Zuversicht. Nachdem er bei früherer Gelegenheit schon einmal hatte verlauten lassen, er wisse nicht, ob der Umbau der Mannschaft überhaupt je zum gewünschten Ergebnis führen werde, sagte er nach dem Sieg gegen die Franzosen: „Wir wissen, wir können besser spielen. Und ich denke, wir werden uns verbessern.“

Der Fortschritt war schon gegen Marseille zu sehen. Nach einem verschreckten Beginn erarbeiteten sich die Gladbacher im Laufe des Spiels vor allem die defensive Sicherheit zurück, die ihnen in den vergangenen Wochen weitgehend abgegangen war. „Wenn alle mitmachen, klappt das auch“, sagte Mittelfeldspieler Thorben Marx. Dass die Borussen nach einer halben Stunde und einer ihrer ersten Offensivaktionen überhaupt durch einen Handelfmeter von Filip Daems 1:0 in Führung gingen, trug zusätzlich zur Beruhigung bei. Und in der zweiten Halbzeit erlebten die Gladbacher einen Moment, in dem sie das Gefühl hatten, nicht nur nicht vom Pech verschont zu bleiben, sondern sogar mal wieder vom Glück begünstigt zu werden.

Zwei Minuten nach seiner Einwechslung für den verletzten Mittelstürmer Luuk de Jong behauptete Peniel Mlapa im Mittelfeld mit gerade noch legalen Mitteln den Ball, er zog in die Mitte und trat den Ball dann aus gut 22 Metern mit balotellischer Wucht zum 2:0-Endstand ins Tor. Favre wusste gar nicht, was er tun sollte; er schlenkerte ein wenig hilflos mit den Armen durch die Luft. Sein französischer Kollege Elie Baup hingegen konnte die Begeisterung über den Torschuss des deutschen U-21-Nationalspielers kaum verbergen: „An einer solchen Präzision müssen wir in Marseille noch arbeiten.“

Lucien Favre klagt seit Saisonbeginn, dass die ihm zur Verfügung stehenden Stürmer einander zu sehr ähnelten und seiner Mannschaft im Angriff Schnelligkeit und Durchschlagskraft fehlten. Es sind genau die Qualitäten, die Mlapa mitbringt. Trotzdem durfte der Neuzugang aus Hoffenheim bis zu seiner Einwechslung gegen Marseille ganze vier Minuten spielen. „Der Trainer hat gesagt, ich solle ruhig bleiben und warten, bis ich meine Chance bekomme“, berichtete der bullige Stürmer. „Heute habe ich sie bekommen – und gleich genutzt.“ 

Borussias Trainer fahndet seit Wochen nach dem idealen Nebenmann für Luuk de Jong, einen klassischen Strafraumstürmer; gegen Marseille probierte Favre mit Patrick Herrmann im 14. Spiel die sechste Variante. Auf die naheliegende Lösung mit Mlapa, der Tiefe ins Offensivspiel bringen kann, hat er bisher verzichtet. Offiziell begründet der Schweizer das mit dem Trainingsrückstand Mlapas. „Er brauchte seine Zeit, bis er kommt“, sagt er. Mlapa hatte sich kurz vor Saisonbeginn das Außenband im Sprunggelenk gerissen, kehrte aber schon nach zweieinhalb Wochen ins Mannschaftstraining zurück. Dass er zweieinhalb Monate gebraucht haben soll, um die Defizite abzuarbeiten, hört sich eher wie eine Schutzbehauptung an. 

Nach den bisherigen Erfahrungen ist Mlapa noch vorsichtig, was seine kurzfristige Perspektive angeht. „Ich gehe jetzt nicht davon aus, dass ich gleich einen Stammplatz habe“, sagte er. Andererseits wehrt sich Favre auch nicht dagegen, zu seinem Glück gezwungen zu werden. Auch Thorben Marx hat bei ihm lange keine Rolle gespielt, inzwischen darf er sich wieder als Stammspieler fühlen. Der frühere Berliner hat sich in der Not als Stabilitätsfaktor für die Defensive bewährt, auch gegen Marseille. „Wenn du gegen so eine starke Mannschaft nur eine Torchance zulässt, darfst du dir schon was darauf einbilden“, sagte Marx. „Aber das haben wir gegen Frankfurt auch schon gemacht.“ Auch da gewann Gladbach 2:0 – und verlor im nächsten Spiel 0:4 bei Werder Bremen.

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