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Europameister: Lemaitre läuft auch die 200 Meter

100-Meter-Europameister Christophe Lemaitre bleibt sympathisch – und läuft auch die 200 Meter.

Der Start war mal wieder miserabel. Christophe Lemaitre jagte als Zweitletzter aus dem Startblock. Seinen Gegnern nützte das allerdings wenig, Lemaitre gewann gestern bei der Leichtathletik-EM seinen Vorlauf über 200 Meter problemlos in 20,64 Sekunden.

Das Problem mit dem schlechten Start kennt der Franzose, er hatte es schon am Mittwochabend. Aber da hätte die miese Reaktionszeit noch größere Probleme machen können. Der Franzose startete als Letzter ins Finale über 100 Meter, aber dann schob er sich nach vorne, Meter um Meter, begeistert angefeuert von den rund 22 000 Zuschauern im Olympiastadion von Barcelona. Nach 10,11 Sekunden war das Rennen für ihn beendet, Christophe Lemaitre ist nicht mehr bloß der erste Weiße, der die 100 Meter unter 10,00 Sekunden gelaufen ist (9,98), sondern seit Mittwochabend auch Europameister.

Kurzzeitig hatte er damit von einem anderen Thema abgelenkt, ein bisschen zumindest. Dieser ganze Hype um die Geschichte vom schnellsten Weißen, die geht ihm allmählich auf die Nerven. „Die Hautfarbe spielt bei so etwas doch gar keine Rolle“, hatte er immer wieder gesagt. Und am Mittwochabend, nach dem Rennen, verkündete er strahlend, auf dem Kopf einen Cowboyhut, den ihm ein Fan in die Hand gedrückt hatte: „Mir ist der Titel viel wichtiger als die Tatsache, dass ich unter 10,00 Sekunden gelaufen bin.“

Er ist ihm hier in Barcelona wichtiger, sollte man wohl einschränken. Dass er noch mehrfach unter 10,00 Sekunden sprinten möchte, spielt in den Überlegungen von ihm und seinem Trainer Pierre Carraz durchaus eine bedeutsame Rolle. In Barcelona ging es um den Titel, um die Frage: „Wer ist der schnellste Mann von Europa?“ Und natürlich ging es, für Fans und Medien vor allem, um die Frage: Besiegt Lemaitre den Briten Dwain Chambers, den früheren Dopingsünder, den gefühlten Gegenentwurf zu dem schlaksigen Franzosen? Chambers wurde Fünfter, zeitgleich mit drei weiteren Sprintern.

Lemaitre gewann klar, sein Vorsprung war so groß, dass er kurz vor dem Ziel nicht mal mehr den Kopf nach vorne hätte werfen müssen, trotzdem starrte er so angstvoll und gebannt zugleich auf die Anzeigentafel, als könnte dort seine Disqualifikation verkündet werden. „Das war die längste Minute meines Leben“, sagte er, als hätte man auf dem Zielfoto nicht die Plätze zwei bis fünf ermitteln müssen, sondern den Sieger.

Er hätte natürlich auch ganz cool den Sieger spielen können, das wäre dann eine Inszenierung gewesen, die im Sprint dazugehört. Aber so ist Lemaitre nicht. Er gab am Start nicht den Siegertypen mit der Körpersprache des Alphatiers, er präsentierte sich im Ziel nicht übertrieben als neuer Superstar.

Dass er die 200 Meter läuft (19.25 Uhr/live bei ZDF und Eurosport), ist allerdings auch eine Botschaft. Diesen Start hatte er vom Abschneiden über 100 Meter abhängig gemacht. Er wollte schauen, wie er sich fühlt. Er fühlte sich gut. Und die ganzen Reporter, die ihn nach dem Finale umringten, die erträgt er wie Wind und Regen: „Ich bin jetzt Champion, da gehört der Rummel zum Geschäft.“

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