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FANS in Südafrikas WM-Stadien: Bingo mit Zuschauerzahlen

86! 91!

86! 91! 94! Die Fifa spielt gern Bingo, zumindest hört es sich so an. Die Herren in den dunkelblauen Anzügen mit dem aufgestickten Logo des Weltverbandes rattern seit Wochen penibel genau die aktuellen prozentualen Ticketverkaufszahlen für die Fußball-WM herunter, das machen sie auch jetzt – jeden Mittag im Keller des WM-Stadions von Johannesburg. Und da ist sie auch schon wieder: „97 Prozent“. Bingo!

Nun sind Statistiken bekanntlich leicht zu fälschende Zahlenwerke. Das muss auch die Fifa einsehen, da viele Sitzschalen bei den ersten WM-Spielen leer geblieben sind – sogar beim Eröffnungsabend des Gastgebers. „Zahlreiche Leute sind nicht ins Stadion gekommen“, sagt Fifa-Medienchef Nicolas Maingot. Man vermute ein Transportproblem, aber für eine Fehleranalyse sei es noch zu früh, „wir klären, wie es dazu gekommen ist“.

In der Branche sind sie einen kleinen Schritt weiter. „Wir haben dieses Riesenproblem vor Monaten prophezeit“, sagt ein WM-Ticket- Agent. Viele Fans hätten nach der Ticketlotterie bei der WM 2006 in Deutschland auf gut Glück viele Karten bestellt und sich dann gewundert, dass auch wirklich alle Wünsche erfüllt wurden. „Plötzlich sitzen Fans auf drei, vier Eintrittskarten und stellen zwei Jahre später vor der WM fest, wie teuer die Flüge und Mietautos sind und wie kalt und unsicher es dort ist. Die haben die Tickets einfach verfallen lassen.“ Weil sich niemand vor Ort abmelden müsse, könne die Fifa diese Karten nicht so einfach neu verkaufen. „Wir stecken ein bisschen in einer Sackgasse“, sagt der Verkäufer. Eine Lösung sieht er nicht. Zumal das Problem bei den Sponsoren ähnlich sei: „Die verlosen viele Karten, aber die können nicht jedem auch noch den Flug dazu spendieren.“

Für das Spiel zwischen Griechenland gegen Südkorea in Port Elizabeth gab es laut Fifa noch 3000 Karten, für Slowenien gegen Algerien 700. Tatsächlich blieben rund 15 000 und 1 2 000 Plätze frei. Dass wirklich alle deutschen Fans bei den ausverkauften WM-Spielen in ihrem Block sitzen, wird auch beim Deutschen Fußball-Bund indirekt vorsichtig in Frage gestellt. „Zwischen 700 und 1000 Fans“ würden kommen, heißt es in der DFB-Sicherheitsabteilung: „Zwischen 30 000 und 40 000 deutschstämmige Fans“ hätten insgesamt Karten für die WM. Das ist ziemlich viel Spielraum. „Bei wichtigen Spielen könnte es noch kniffliger werden“, fürchtet der Ticket-Agent. Gute Eintrittskarten für Spiele ab dem Viertelfinale sind teuer. Selbst wohlhabende, weiße südafrikanische Ehepaare überlegten, ob sie 280 Euro für zwei Karten ausgäben, um einem Spiel zuzusehen, das nur bedingt interessant ist. Karten für die billigste Kategorie 4 gibt es für 55 Euro – unerschwinglich für die schwarze Bevölkerung. Diese Karten können aber nur Südafrikaner kaufen.

Natürlich gab es auch 2006 leere Sitzplätze. Und die offiziellen Ticketverkäufe sind auch diesmal letztlich sehr gut – nur in den USA 1994 war der Zuschauerschnitt höher. Wenn es doch mal sehr große Lücken gibt, finden die Veranstalter eine Lösung. Schulkinder (mit Uniform und Schlips) wurden auf die Tribünen geschickt. Und beim Eröffnungsspiel saßen in der zweiten Halbzeit plötzlich hunderte Fans in grüngelben Shirts im zuvor leeren Block. Diese Shirts tragen eigentlich nur die Volunteers der WM. André Görke, Pretoria

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