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Linsmann Hoeneß

© dpa

FC Bayern: Das Schweigen der Männer

Nach dem Barcelona-Debakel stützen die Chefs des FC Bayern Trainer Jürgen Klinsmann nicht mehr.

Als großer Witzeerzähler ist Jürgen Klinsmann bisher noch nicht aufgefallen. Deshalb muss man die Sätze wohl der Kategorie „ungewollte Komik“ zuordnen. „Wir haben jetzt den Fokus auf der deutschen Meisterschaft. Wir müssen die absolute Priorität der Bundesliga geben“, sagte der Trainer des FC Bayern München am Donnerstag nach dem 0:4-Debakel in der Champions League beim FC Barcelona. Nur der Vollständigkeit halber: Aus dem DFB-Pokal sind die Bayern auch schon ausgeschieden, nach einem 2:4 in Leverkusen. Da sollte es nicht mehr schwerfallen, den Fokus zu setzen.

Es war kein glücklicher Auftritt, den Klinsmann bei der improvisierten Pressekonferenz im Flughafen hinlegte. Er war blass und wirkte kraftlos. Und so klangen seine Floskeln noch hohler als sonst – was man vorher kaum für möglich gehalten hätte. So gesehen war es vielleicht gut, dass er sich am Karfreitag die Pressekonferenz vor dem Bundesliga-Wochenende, eigentlich ein Pflichttermin, sparte. Auch wenn er damit in Kauf nahm, dass das wirkte, als tauche er ab.

Kein Zweifel, in dieser dritten oder vierten Krise – über die Zahl streiten die Auguren noch – seiner neunmonatigen Amtszeit hat sich die Lage zugespitzt wie bei keiner Krise zuvor. Das wichtigste Indiz dafür ist weniger das Presseecho („Abendzeitung“: „Klinsi, das war’s“) als das Verhalten seiner Vorgesetzten.

Bis Mittwochabend sprangen Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Manager Uli Hoeneß ihrem Trainer stets eilfertig zur Seite. Und wenn sogar einer aus dem Verein Zweifel am Trainer äußerte wie Präsident Franz Beckenbauer am Dienstag, dann bekam auch der einen verbalen Hieb von Hoeneß ab („Ich weiß nicht, ob das klug ist ein Tag vor dem Spiel“). Doch seit Mittwochabend ist die Alle-für-Jürgen-Kampagne schlagartig verstummt. Paralysiert vom Entsetzen über diese 0:4-Halbzeit in Barcelona – der ja nur vier Tage zuvor schon eine 0:4-Halbzeit in Wolfsburg vorangegangen war (Endstand: 1:5) –, formulierten Hoeneß und Rummenigge Sätze mit ganz neuem Zungenschlag. Rummenigge warnte vor „spontanen unsinnigen Entscheidungen“ (siehe beistehenden Kasten) und sagte, dass „man rational bleiben“ müsse. Hoeneß wollte „eine Nacht drüber schlafen“. Nachdem die Nacht vorbei war und der neue Tag begonnen hatte, schwiegen beide – auch das ein Signal. Sie ließen Klinsmann allein mit den Journalisten. Auch am Freitag war kein Ton aus der Chefetage zu vernehmen.

Und so ist die einzige Frage, die derzeit in München ernsthaft diskutiert wird, die, ob Klinsmann noch das Saisonende im Amt erlebt oder in Kalifornien. Das heutige Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt könnte bereits das Ende bringen – wenn Bayern nicht gewinnt. Dann geriete nämlich möglicherweise auch die Champions-League-Qualifikation in Gefahr. Eigentlich ist nur noch ein Ausweg denkbar, der Klinsmann eine zweite Saison bei Bayern eröffnen würde: ein acht Spiele dauernder Triumphzug durch die Bundesliga mit dem Titelgewinn am Ende. So ähnlich sieht das auch Luca Toni: „Wenn wir den Titel in der Bundesliga nicht gewinnen, ist das ganze Jahr für uns gescheitert. Dann wird der Verein am Ende der Saison eine Entscheidung treffen.“ Welche, ist klar.

Doch Erfolgsszenarien erscheinen bei der derzeitigen Verfassung der Mannschaft ausgeschlossen – zumal auch gegen Frankfurt der fast unverzichtbare Philipp Lahm fehlt. Wenigstens Lucio kehrt zurück. Doch unter besonderer Beobachtung stehen wird Michael Rensing, der Stammtorwart, den Klinsmann in Barcelona überraschend aus der Startelf gestrichen hatte. Von Klinsmanns vielen rätselhaften Entscheidungen ist die Personalie Rensing zweifelsohne die – wenn man es positiv formulieren will – kurioseste. Rensing gewährte in Barcelona einen interessanten Einblick in Klinsmanns Menschenführung, als er erzählte, wie Klinsmann mittags vor dem größten Bayern-Spiel der Saison zu ihm ins Hotelzimmer kam und die Ausbootung zugunsten von Ersatztorwart Butt begründete: „Er hat gesagt, dass es bei ihm ein Gefühl war, dass er die Erfahrung von Butt nutzen wolle.“ Zugleich aber habe der Trainer ihm versichert, „dass er mit meiner Entwicklung zufrieden ist“ und „dass das eine einmalige Sache war“. Verständnis des Spielers kann Klinsmann mit einer solchen Argumentationslinie wohl kaum erwarten. Und in der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, Klinsmann verfalle in der Not dem Aktionismus.

Nun entscheidet auch Rensing über Klinsmanns Zukunft.

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