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Begehrt. Bayerns Star Franck Ribèry.

© dpa

FC Bayern München: Die Epoche der Unersättlichen

Meisterschaft? Der Jubel der Bayern hält sich in Grenzen. Sie blicken schon nach vorn, auf DFB-Pokal und Champions League. Dahinter steht die große Vision, die langsam Gestalt annimmt: eine neue Ära.

„Ist schon ein bisschen kalt hier“, hat Manuel Neuer gesagt, später am Abend, als seine Kollegen vom FC Bayern in Richtung Kabine schlenderten, um die Meisterschaft zu, nun ja, feiern. So eine Party im März ist nicht nach jedermanns Geschmack, noch dazu in der sibirischen Randlage Charlottenburgs. Neuer zählte ab Mitte der zweiten Halbzeit die Minuten runter, „irgendwann willst du nur noch, dass der Schiedsrichter endlich abpfeift“, und das lag keinesfalls an der Stärke des Gegners, in diesem Fall Hertha BSC. Und sonst? Thomas Müller machte eines seiner obligatorischen Thomas-Müller-Späßchen, diesmal ein simuliertes Fernsehinterview mit Mario Götze. Dante hatte sich einen brasilianischen Schal umgewickelt und eine Pappmeisterschale im Arm, aber anders als bei früheren Triumphen sang er nicht und trug auch keinen Ghettoblaster auf der Schulter. Allein der Torwart Manuel Neuer freute sich ein bisschen, „denn so viele Meisterschaften habe ich ja auch nicht gewonnen“.

Die Münchner begehen ihre Erfolge für gewöhnlich ein wenig ausgelassener am Marienplatz, mit viel Publikum und noch mehr Bier, aber nicht mal das war drin am Dienstag, nach dem 3:1-Sieg bei Hertha BSC im Olympiastadion. Bastian Schweinsteiger, als jetzt siebenfacher Meister in Sachen Feierkultur durchaus erfahren, hatte vergeblich die Kabine inspiziert. „Kein Bier da“, sprach der Mittelfeldspieler, und das fügte sich ganz gut für Pep Guardiola und seine Garderobe. Die befürchtete Dusche blieb dem Münchner Trainer erspart, wird aber laut Arjen Robben „ganz bestimmt nachgeholt“. Es soll ja noch ein bisschen mehr Platz geschaffen werden im Trophäensaal an der Säbener Straße.

Offiziell haben sie sich sehr respektvoll geäußert über den Gewinn der Meisterschaft. Schweinsteiger nannte sie „den ehrlichsten Titel, weil du 34 Spieltage dafür arbeitest“, was im konkreten Fall nicht ganz stimmte, denn den Bayern genügten derer 27. Der damit verbundene Mangel an Konkurrenz entwertet die Meisterschaft nicht, aber er hebt sie auch nicht in den Rang des „wichtigsten Titels dieser Saison“ (Guardiola). Wer bei sieben ausstehenden Spieltagen 25 Punkte vor dem Zweiten liegt, kann gar nicht anders, als sich höhere Ziele zu setzen.

Niemand, der die Bayern am Dienstag gesehen hat, wird ihnen den Spaß am Spiel absprechen. Aber Spaß ist etwas anderes als harte Arbeit. Es ist das Vergnügen daran, mit dem Gegner zu spielen, ihn vorzuführen, auch wenn das aus sportlicher Sicht gar nicht mehr nötig ist. Am Meistertitel hatte schon vor dem Spiel in Berlin niemand auch nur annähernd gezweifelt. „Aber wir wollen in dieser Saison kein Spiel verlieren und alle restlichen Spiele gewinnen“, sagte der Münchner Sportvorstand Matthias Sammer. „Das ist die frohe Botschaft“, für die Gegnerschaft fällt sie naturgemäß nicht so froh aus.

In Berlin hetzten die Münchner ihren Gegner mit selten gesehener Lust und Raffinesse und Brillanz über den Platz. Dabei hatte Guardiola ein paar seiner Besten lange auf der Bank sitzen lassen, namentlich die Herren Ribéry, Mandzukic und Alcantara. Martínez stand nicht mal auf dem Mannschaftsbogen. „Aber bei uns ist halt jeder gierig darauf zu spielen“, sagte Manuel Neuer. Spiele wie das gegen Hertha eröffnen Pep Guardiola die Möglichkeit, sein Personal ein wenig rotieren zu lassen, ohne dass der sportliche Erfolg in Gefahr gerät oder die Etablierten beleidigt sind. Am Dienstag erinnerte der Münchner Katalane daran, dass er die erste Saisonhälfte über weite Strecken mit einem sehr ausgedünnten Kader hatte bestreiten müssen, „ohne Schweinsteiger, Götze, Martínez oder Thiago, das war schon hart“. Jetzt, da die Saison außerhalb der Bundesliga in ihre entscheidende Phase geht, darf Guardiola die schier unerschöpflichen Möglichkeiten seines Luxuskaders genießen.

Die sportlich wichtigen Spiele kommen erst noch. In der Champions League, erst mal im Viertelfinale gegen Manchester United und dann weiter bis hin zum projektierten Ziel, dem Finale am 24. Mai in Lissabon gegen Barça, Real, Chelsea oder wen auch immer. Es geht dabei nicht so sehr um die ausgeschriebene Silberblumenvase an sich, so gern sie die in München auch behalten wollen.

Das Ziel hinter dem Einzelerfolg ist ein anderes. Der FC Bayern will eine Ära begründen wie sie Ajax Amsterdam in den Siebzigern, Milan in den Neunzigern und zuletzt der FC Barcelona geprägt hatten. Das steht am Ende von Guardiolas langfristig angelegtem Masterplan. Deswegen hat er Barcelona verlassen und ist nach München gekommen: Barcelona war ausgereizt, Bayern hat seine beste Zeit wahrscheinlich noch vor sich. Die alten Säcke im Kader heißen Philipp Lahm, Franck Ribéry, Arjen Robben, Dante und Bastian Schweinsteiger, sie sind gerade oder noch nicht ganz 30. Thomas Müller, Mario Götze, Toni Kroos, Javier Martínez oder Thiago Alcantara stehen erst am Anfang einer großen Zukunft. In diesem Sinne formulierte Guardiola seinen Anspruch: „Das Ziel muss es sein, unser Niveau immer weiter zu verbessern.“ Das ist keine schöne Nachricht für Barça, Real, Chelsea oder wen auch immer.

Und erst recht nicht für den 17 Klubs starken Rest der Bundesliga.

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