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Sport: Fieberkurve eines Derbys

Lange gingen sich Tennis Borussia und Union aus dem Weg – jetzt treffen sie in der Oberliga aufeinander

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin - Hermann Gerland konnte gar nicht genug kriegen. „Am besten wäre es, wir würden jede Woche gegen die spielen“, sagte er. Der Trainer Hermann Gerland steht halt für das Rustikal-Brachiale. Er mag diese Derbys, in denen seinen Spielern alles abverlangt wird, in denen Leidenschaft gefragt ist. Deshalb hätte er Ende der Neunzigerjahre in seiner Zeit als Trainer von Tennis Borussia gerne häufiger mal gegen den 1. FC Union gespielt. In diesen Duellen lag stets eine besondere Schärfe, basierend auf einer Rivalität, wie es sie in der Bundesliga nur zwischen Schalke und Dortmund gibt.

Der Schlüssel für das Verhältnis zwischen beiden Klubs liegt im Sommer 1993. TeBe und Union stritten in einer Aufstiegsrunde mit dem FV Bischofswerda um den Einzug in die Zweite Liga. Sportlich setzte sich Union durch. Doch die Freude in Köpenick wich alsbald blankem Entsetzen. Der Verein hatte sich mit einer gefälschten Bankbürgschaft die Lizenz erschwindelt, ihm wurde das Zertifikat vom DFB wieder entzogen. Die UnionFans fühlten sich verschaukelt. Aber statt die eigenen Funktionäre für ihre unlauteren Machenschaften zur Rechenschaft zu ziehen, wurden fantasiereich Verschwörungstheorien entwickelt, nach denen TeBe schuld am Nichtaufstieg Unions sei. Klaus-Volker Stolle, damals TeBe-Vizepräsident, staunte: „Das ist doch ein Union-Skandal, was können wir denn dafür?“

Einem Teil der Union-Fans kam dabei sogar die Zuordnung abhanden, wer denn nun künftig der Hauptfeind sei: TeBe – oder doch, wie zu DDR-Zeiten, weiter der BFC Dynamo? Als damals Tennis Borussia anstelle von Union in die Zweite Liga durfte und Union-Torwart Pieckenhagen zu TeBe wechselte, erhielt er telefonisch Morddrohungen. Dass TeBe-Spieler Bruno Akrapovic mal bei einem Interview nach Spielende von einem Union-Fan, der über die Umzäunung geklettert war, in die Fernsehkamera gestoßen und dabei leicht verletzt wurde, gehört zu den unrühmlichen Handgreiflichkeiten, die bei diesen Derbys schon mal vorkommen.

Von 1994 bis 1998 standen sich die beiden Rivalen regelmäßig in der Regionalliga gegenüber. Von den acht Punktspielen in dieser Zeit gewann TeBe die Hälfte – bei zwei Unentschieden und zwei Niederlagen. Oskar Kosche, inzwischen im Union-Vorstand, hat einige dieser Duelle als Torwart der Köpenicker miterlebt. Er kennt die Rivalität. „Gegen TeBe haben wir alles Potenzial aktiviert“, sagt Kosche. Die Spieler untereinander pflegten freilich geordneten Umgang. Kosche: „Es gab da keinen Hass.“

Theo Gries, jetzt Trainer bei TeBe, trug damals als Spieler das Trikot der Charlottenburger. „Viele Kontakte zwischen den Spielern beider Vereine gab es nicht“, erzählt Gries, „aber das liegt wohl an der räumlichen Distanz zwischen Charlottenburg und Köpenick.“ Er rühmt aber die „tolle Atmosphäre“ im Stadion an der Alten Försterei, „das kannte ich nur vom Aachener Tivoli“, sagt Gries, der früher bei Alemannia Aachen spielte.

Die beiden Berliner Rivalen gingen sich von 1998 an lange aus dem Weg. TeBe war, gestützt auf die Millionen des Sponsors Göttinger Gruppe, aufgestiegen in die Zweite Liga. Als alles Geld, man spricht von über 60 Millionen Mark, verprasst war, begann der rasche Abstieg. Union löste TeBe in der Zweiten Liga ab, blieb aber auch nur drei Jahre. Jetzt sehen sich beide wieder, in der viertklassigen Oberliga (Sonntag, 17 Uhr, Mommsenstadion). Dass der alte Zorn der Union-Fans längst nicht verraucht ist, zeigte sich unlängst im Berliner Pokal: Union hatte bei TeBe 0:2 verloren. Die Niederlage verkrafteten ein paar Union-Fans nicht. Sie räucherten die Tribüne ein, grölten antisemitische Sprüche und zettelten auch nach Spielschluss noch Krawalle an.

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