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Sport: Fit werden fürs Leben

Voller Optimismus spricht Alba Berlins Kapitän Matej Mamic erstmals über die Fortschritte nach seinem schweren Unfall

Berlin - Vor Matej Mamic steht ein Glas Mineralwasser, Professor Schaffartzik hat es für seinen Patienten eingeschenkt. Mamic greift danach, führt es zum Mund, trinkt. Die Bewegungen sind flüssig, der Arm zittert nicht. Der Kapitän von Alba Berlin scheint sich nicht besonders darauf konzentrieren zu müssen, wie er das Glas überhaupt zum Mund bekommt – oder er kann die Anstrengung gut verbergen. Sein rechter Arm gehorcht ihm wieder ganz gut, ganz beiläufig schüttelt er Hände bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem schweren Unfall im Bundesligaspiel gegen Trier. „Mir geht es besser, ich kann meinen ganzen Körper wieder bewegen“, sagt der 30-Jährige, der Anfang der Woche die Intensivstation des Unfallkrankenhauses Berlin (UKB) verlassen kann. Gestern erzählte er bei einer Pressekonferenz von seinen Fortschritten, lachte, seine Augen glänzten voller Lebensmut. „Mein erstes Ziel ist es, wieder ein normales Leben zu führen. Aber ich wäre nicht Matej, wenn ich nicht wieder spielen wollte“, sagte er. Professor Walter Schaffartzik, Ärztlicher Leiter des UKB, will Mamic zunächst „fit machen fürs Leben. Alles Weitere wäre ein Geschenk. Es ist nicht mit Sicherheit zu sagen, ob und, wenn ja, auf welchem Niveau er wieder spielen kann.“

Doch dass er überhaupt daran denken kann, ist bemerkenswert. Am 26. November kurz nach 20 Uhr lag Mamic regungslos auf dem Spielfeld der Max-Schmeling-Halle. Kopf, Beine, Arme – gelähmt. Nur seine Augen konnte er öffnen und schließen. Eine dauerhafte Querschnittslähmung musste befürchtet werden, mit dem Hubschrauber wurde Mamic ins Krankenhaus geflogen. Diagnose: eine Prellung im Rückenmark im Bereich der Halswirbelsäule. Etwa eine Woche lang musste Mamic gefüttert werden, weil er mit dem Löffel den Mund nicht erreichte.

Um kurz vor elf Uhr schiebt Mamics Freund Elvir Hrvat den Rollstuhl mit dem Alba-Kapitän zur Pressekonferenz. Mamics Ehefrau Veronica, Albas Vizepräsident Marco Baldi und Schaffartzik laufen hinterher. Eine Halskrause stabilisiert Mamics Halswirbelsäule. Der Blick des Kroaten ist zunächst angespannt, als sich zahlreiche Fernsehkameras auf ihn richten, doch dann spreizt er die Finger zum Victory-Zeichen. Vom Rollstuhl zu seinem Platz geht er ein, zwei Schritte – mit Mühe, aber alleine, das ist ihm wichtig. Für längere Strecken muss er gestützt werden.

Zunächst ruhig, dann immer lebhafter erzählt er auf Englisch und Kroatisch, bedankt sich bei der Familie, Alba und den Ärzten für die Unterstützung. „So ein Krankenhaus habe ich noch nie gesehen, ich habe hier 100 oder mehr Prozent von dem, was ich brauche.“ Seine Frau, die am Rand sitzt, ist blass, zwischendurch wischt sie Tränen aus den Augenwinkeln. „Sie wird jeden Tag stärker, sie ist der Boss“, erzählt der Vater von drei Kindern. Auch er ist stark, erst als er sich im Gesicht kratzt, sieht man, dass er Probleme mit der Feinmotorik der rechten Hand hat. Mit dem linken Arm, der stärker von der Lähmung betroffen ist, gestikuliert er heftig. Die Finger sind noch gekrümmt, doch vor kurzem konnte er nicht einmal seinen Daumen bewegen.

Nicht nur die tägliche Ergo- und Physiotherapie hilft ihm, seine Beweglichkeit zu verbessern. Auch der Alltag ist Therapie. „Ich wasche mich selbst, ich bin ja nicht krank“, sagt Mamic. „Und ich hoffe, der Doktor lässt mich bald in den Swimmingpool.“ Bald soll es tatsächlich so weit sein – für Marco Baldi unvorstellbar. „Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, könnte ich losheulen“, sagt der sonst sehr kontrollierte Vizepräsident. Losheulen, weil die Fortschritte so groß sind nach so kurzer Zeit. Damit sie noch größer werden, besteht Mamics Tag aus zwei Beschäftigungen: „Arbeit und Ruhe.“ Die Alba-Kollegen dürfen deshalb nicht so oft zu ihm, wie sie es gerne tun würden. Sie telefonieren oft mit ihm, und Fans aus ganz Europa muntern ihn mit E-Mails auf, geschockt von den Bildern des regungslosen Mamic.

Auch Mamic hat im Fernsehen gesehen, wie er nach einem fairen Block des Trierers Nate Doornekamp das Gleichgewicht verlor, mit dem Kopf gegen seinen Mitspieler und Freund Quadre Lollis prallte und dann auf dem Boden aufschlug. Als er dort lag, „dachte ich, dass ich die Hände in der Luft habe, aber dann habe ich gesehen, dass sie unten sind. Da habe ich Angst gekriegt.“ Er sah seine weinende Frau, „und ich konnte mich nicht bewegen“. Durch Medikamente gingen die Lähmungen noch in der Nacht teilweise zurück.

Seiner Frau würde es reichen, wenn er wieder richtig laufen könnte. Spielt er wieder Basketball, „will sie nie wieder in der Halle sein. Aber das ist in Ordnung. Sie kann sich die Spiele ja im Fernsehen anschauen“. Mamic weiß schon, wer sein erster Gegner am Ball sein soll: „Professor Schaffartzik.“ Albas Spiele verfolgt er im Liveticker oder im Fernsehen. „Dann muss es im Zimmer ganz ruhig sein. Ich spiele mit.“

Helen Ruwald

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