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FLANKE aus England: Mutterland des Irrsinns

In den englischen Klubs machen sich Oligarchen und Tycoone breit – Chelsea, Manchester United, jetzt womöglich Arsenal. Die alten Fans leiden meist still vor sich hin oder laufen weg. Markus Hesselmann über Fußball mit Erfolg, aber ohne Romantik.

Von Markus Hesselmann

England – das Mutterland der Fankultur. Im Rest der Welt sehen wir das gern so. Viele deutsche Fans halten deshalb seit Jahrzehnten einem Zweitverein auf der Insel die Treue. Das romantische Bild stammt aus einer Zeit, als sich die Zuschauer auf zugigen Stehtribünen im Nieselregen warm sangen. In der Halbzeitpause stärkten sie sich mit Fleischpasteten und lauwarmem, bitterem Bier. Heute ist England das Mutterland des corporate football – das hohe Kulturgut ist in die Hände der Großsponsoren und ihrer Marketingabteilungen gefallen. Wer keinen Hang zum Masochismus hat, kann eigentlich kaum noch Fan einer englischen Mannschaft sein.

Jetzt kommt sicher der Einwand: Denen geht es doch gut im Vergleich zu uns Deutschen. Eine Liga voller Superstars stellt vier Teams in der Champions League, alle mit guten Chancen, dort weit zu kommen. Der Preis dafür ist hoch, im wahrsten Sinne des Wortes. Für das Geld, das eine Jahreskarte in der Bundesliga kostet, sind auf der Insel vielleicht drei, vier Spiele zu haben. Nicht nur die erfolgreichen Klubs nehmen Unsummen an Eintritt. Das Ticket für einen Kracher wie Fulham gegen Middlesbrough kostet 45 Euro.

Die Masse der Fans nimmt das klaglos hin – genau wie all den anderen großen und kleinen Irrsinn in der Premier League und darunter. Die Zweite Liga mag nicht mehr zweitklassig sein und plustert sich als „Championship“ auf. Die Dritte und Vierte heißen fast folgerichtig Erste und Zweite. Ihre Namen haben die Ligen an Sponsoren verkauft, die auch penetrant in den Medien genannt werden. Die Stehplätze sind abgeschafft, die Spieltage zwischen Samstagmittag und Montagabend zersplittert, weil es das Bezahlfernsehen so will. Dagegen erheben sich keine „15.30“- oder „Sitzen is’ für’n Arsch“-Bewegungen. Während in Deutschland die geplante Verlegung der Sportschau fast einen Volksaufstand auslöste, warten englische Fans geduldig bis zum späten Samstagabend auf „Match of the Day“.

In den Klubs machen sich Oligarchen und Tycoone breit – Chelsea, Manchester United, jetzt womöglich Arsenal. Die alten Fans leiden meist still vor sich hin oder laufen weg. So wie die englischen Zuschauer bei schlechten Spielen in Scharen frühzeitig das Stadion verlassen, so machen einige engagierte Fans inzwischen einfach ihre eigenen Vereine auf. Mit Gründungen wie AFC Wimbledon oder FC United of Manchester suchen sie das Glück im Winkel – ein Stückchen von der alten englischen Fußballromantik.

An dieser Stelle schreiben unsere Korrespondenten dienstags über Fußball in England, Spanien und Italien.

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