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© dpa

Formel 1: Die Boxenpsychologen

Massa gegen Hamilton: die Tricks vor dem entscheidenden Titel-Duell in der Formel 1.

Es ist immer das Gleiche mit diesen inszenierten Auftritten der WM-Kandidaten beim Formel-1-Finale. Da sitzen sie dann nebeneinander auf dem Podium bei der offiziellen Fia-Pressekonferenz, sollen erst mal für ein gemeinsames Handschlag-Foto posieren, und dann versucht jeder, aus der kleinsten Geste Rückschlüsse auf die psychologische Verfassung der Titelanwärter zu ziehen. Eigentlich sollte Hamilton das mit dem Foto ja schon wissen – trotzdem brauchte er diesmal eine Aufforderung von seinem Konkurrenten Felipe Massa, der gleich brav stehen geblieben war und dem Briten, der sich schon hingesetzt hatte, kurz auf die Schulter tippte.

Ein kleiner Hinweis darauf, dass Hamilton den Druck des Favoriten gewaltig spürt? Auch von dem sonstigen Auftritt her könnte man das glauben. Da sind die kleinen, unsicheren Gesten, ein Zupfen hier, ein Griff ins Gesicht dort, die Stimme eher flach und tonlos, das Lächeln verschwunden. Dabei ist die Situation mit sieben Punkten Vorsprung auf Felipe Massa zwar nach Punkten genau die gleiche wie die gegenüber Kimi Räikkönen im vergangenen Jahr, als der Brite den Titel dann doch noch verlor. Aus psychologischer Sicht müsste man sie dennoch anders deuten: Hamilton kommt nach seinem überzeugenden Sieg in China mit mehr Rückenwind nach Brasilien als 2007, als er in Schanghai mit seinem Ausrutscher in der Boxeneinfahrt seinen ersten Matchball vergab.

Hamilton betont das auch – aber so ganz nimmt man ihm nicht ab, dass er das, was er da sagt, auch wirklich fühlt. Um Druck herauszunehmen, versucht er, alles auf ein ganz normales Rennen zu reduzieren, auch im Vergleich zu früheren Meisterschaften, die er in seiner Karriere schon gewonnen hat. „Man muss das immer als ein ganz normales Rennen sehen, so ein Finale, wir versuchen als Team wie immer unser Bestes zu geben”, das sind Standardsätze, abgespult wie ein Mantra.

Felipe Massa, der Außenseiter, der eigentlich nicht verlieren, sondern nur gewinnen kann, sagt inhaltlich im Prinzip das Gleiche, aber er sagt es anders. Lächelnd, mit Emotionen in der Stimme, auch wenn er in den letzten Tagen hier in seiner brasilianischen Heimat schon einen Marathon an Auftritten mit immer den gleichen Fragen und Antworten hinter sich hat. Es sei im Prinzip schon seit seinen Kart-Zeiten immer das Gleiche: „Wenn ich drinsitze, dann denke ich ans Rennfahren, ans Kämpfen – nicht an den Titel, an Meisterschaften, an die Zukunft oder die Vergangenheit. Man denkt und lebt immer im Moment des Augenblicks.“ Mit dem Druck, den auch er verspüren muss, gerade beim Heimrennen, geht er zumindest die meiste Zeit sehr gelassen um, witzelt bei der Frage nach Familiennähe herum, dass er nur die Ratschläge seiner Mutter nie befolgen dürfte, „sonst müsste ich immer ganz langsam fahren“. Er zieht keine große Show ab, scheint in sich zu ruhen, zumindest bis zu dem Moment, als er durch eine Frage nach seinen Kindheitserinnerungen an den letzten WM-Titel von Ayrton Senna 1991 wieder darauf gestoßen wird, das er es ja nur sein soll, der die große brasilianische Formel-1-Tradition fortsetzen soll. Da sieht man doch einen Zug Anspannung in den Gesichtszügen des 27-Jährigen – das historische Erbe ist offensichtlich schon eine Belastung, die er nicht ganz beiseiteschieben kann.

Andererseits verspricht er sich durch den Heimeffekt aber auch besondere zusätzliche Stärke „durch die Unterstützung, die Energie der Fans, die ich überall spüre“. Ob das allerdings für die Entscheidung im Titelduell irgendeine Rolle spielt, ist die andere Frage.

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