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Durchfahrt im Untergeschoss. Sebastian Vettel jagt mit seinem Red Bull durch das spektakuläre Hotelraumschiff an der Strecke in Abu Dhabi.

© AFP

Formel-1-Finale: Viel Dampf in der Wüste

Auf einer futuristischen Kunstinsel lädt die Formel 1 in Abu Dhabi zu ihrem Showdown. Die Titelkandidaten lagen im Training eng beieinander.

Von Christian Hönicke

Am Freitag trug sich ein kleines Mirakel zu in der Wüste von Abu Dhabi. Das mit Spannung erwartete erste Freie Training zum WM-Finale der Formel 1 stand an und plötzlich schauten alle statt auf die Straße nur noch nach oben. Wasser! Seit März hatte es hier am Persischen Golf nicht mehr geregnet, jetzt aber sandte der Himmel ein paar feuchte Sensationsgäste auf den Yas Marina Circuit. Schon nach ein paar Minuten allerdings hatte sich die Sonne ihr Terrain zurückerobert und die Tropfen von der dampfenden Strecke gesogen. So konnte es also einen ersten Anhaltspunkt dafür geben, welcher der vier Titelkandidaten beim letzten Rennen der Saison am Sonntag die besten Aussichten hat. Und nach dem ersten Kräftemessen deutet sich ein Fotofinish an. Während Vorjahressieger Sebastian Vettel im Red Bull das erste Freie Training dominierte, lagen die Glorreichen Vier im zweiten Durchgang innerhalb von nur vier Zehntelsekunden bei ihren schnellsten Runden.

Angeführt wurde das Quartett von McLaren-Pilot Lewis Hamilton, dem größten WM-Außenseiter, es folgten der WM-Dritte Vettel, der Gesamtführende Fernando Alonso im Ferrari und schließlich Mark Webber im zweiten Red Bull. Vettel zeigte sich „insgesamt ziemlich zufrieden“, aber er könne „über Nacht hoffentlich noch etwas Zeit ausgraben. Es sieht gut aus, aber es ist eng.“ Das verspricht schon bei der vorentscheidenden Qualifikation am Samstag Spannung (14 Uhr MEZ/RTL und Sky).

Der freitägliche Regen mag wenig Eindruck hinterlassen haben, dennoch macht sich die Region auf Umwälzungen gefasst. Das Öl wird bald zur Neige gehen, diese Erkenntnis hat sich auch in Abu Dhabi durchgesetzt. Deswegen will man Alternativen schaffen: 2016 soll das erste Kohlekraftwerk der Vereinigten Arabischen Emirate stehen. Um Menschen und Geld ins Land zu locken, setzt man außerdem auf Steuerfreiheit und Tourismus. Für 40 Milliarden US-Dollar wurde Yas, die Insel wenige Kilometer östlich von Abu Dhabi, vor ein paar Jahren „entwickelt“. Das öde Eiland wurde um ein Drittel größer gebaggert und wird seitdem mit allem bepflanzt, was Leute anlocken soll: Es gibt Erlebniswelten für Ferrari-, Film- und Wasserfans , ein Furcht einflößendes Einkaufszentrum und noch jede Menge mehr, um davon abzulenken, dass es hier eigentlich nichts zu sehen gibt.

Im Zentrum der futuristischen Kunstinsel liegt der Autorennkurs, der in diesem Jahr Bühne des Showdowns im Formel-1-Titelrennen ist. Der Yas Marina Circuit wurde von Hermann Tilke konstruiert, dem deutschen Hofarchitekten des Formel-1-Chefvermarkters Bernie Ecclestone. Ecclestones Idee war auch der Clou mit dem Sonnenuntergang. Die Renner werden am Sonntag im Hellen zum letzten Saisonlauf starten, im Dunkeln wird der neue Weltmeister über die Ziellinie rollen. Das sieht ziemlich spektakulär aus, wie man schon bei der Premiere letztes Jahr sah, vor allem, wenn die Wagen am Jachthafen unter dem in unterschiedlichen Farben angestrahlten Yas-Hotelraumschiff durchjagen. Von der ambitionierten Architektur abgesehen bietet die Piste in der Wüste aber wenig Grund zur Aufregung.

Für Adrian Sutil ist es „eine reine Fernsehstrecke, mehr Schein als Sein“. Der Force-India-Pilot findet den Kurs „sehr langweilig. Alles ist einfach nur geradlinig, mit den immer gleichen Ecken - mir fehlen die schnellen Kurven und markanten Stellen.“ In der Tat handelt es sich bei dem gut 5,5 Kilometer langen Asphaltband um eine fahrerisch wenig anspruchsvolle Mixtur aus Vollgas und Vollbremsung, garniert mit ein paar langsamen bis mittelschnellen Kurven. Die beiden langen Geraden bieten immerhin eine technische Herausforderung. Weil keiner der vier Titeljäger noch einen frischen der auf acht pro Saison begrenzten Motoren zur Verfügung hat, müssen alle besonders auf ihre gebrauchten Aggregate achten.

Die schwierigste Aufgabe für die Piloten während der 55 Runden sind aber die wechselnden Lichtverhältnisse. Zumindest gilt das, wenn die Sonne vor ihrem Untergang am Sonntag tatsächlich durch die Wolken bricht. Völlig verlassen allerdings, das zeigte der Regenguss vom Freitag, sollte man sich darauf in der wundersamen Wüstenwelt von Yas nicht.

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