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Gute Miene zum bösen Spiel: Die Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg (l.) und Lewis Hamilton bei der Siegerehrung - noch vor ihrem Streit auf der Pressekonferenz.

© afp

Formel 1 in Schanghai: Öffentlicher Streit zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg

Nach dem Sieg von Lewis Hamilton beim Großen Preis von China attackiert der frustrierte Nico Rosberg seinen Mercedes-Teamkollegen auf der Pressekonferenz nach dem Rennen.

So richtig krachte es in Schanghai erst nach dem Rennen. Auf der Strecke war der Große Preis von China eher langweilig. Das lag auch daran, dass er etwas kurios hinter dem Safetycar zu Ende ging, nachdem der Toro Rosso von Max Verstappen kurz vor Schluss mit einem Defekt auf der Start-Ziel-Geraden stehen geblieben war. Mercedes schaffte nach der unerwarteten Niederlage in Malaysia eine klare Revanche mit einem souveräner Doppelsieg durch Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Der Ferrari-Pilot Sebastian Vettel war als Dritter diesmal ohne echte Chance, die Silberpfeile zu ärgern. Doch danach ging es bei Mercedes rund: Nico Rosberg, auf der Strecke chancenlos gegen Hamilton, warf seinem Teamkollegen vor, ihm durch seine zeitweise zu langsame Fahrweise absichtlich das Rennen zerstört zu haben.

Auf der Pressekonferenz eskalierte der Streit. „Ich hatte nie wirklich Druck von Nico im ganzen Rennen, ich habe es kontrolliert und bin so gefahren, wie es für mich am besten war“, konstatierte Hamilton ganz gelassen.Rosberg attackierte Hamilton sichtlich aufgebracht. Der Brite sei phasenweise „unnötigerweise viel zu langsam gefahren“, beklagte der Deutsche. „Dadurch kam ich unter Druck von Vettel und musste dann, als der früh Reifen wechselte, das Gleiche tun. Das hat mein ganzes Rennen zerstört und mich um alle Chancen gebracht.“ Hamilton konterte ganz gelassen: „Es ist doch nicht mein Job, mich um Nicos Rennen zu kümmern. Mein Job ist es, das Auto so sicher wie möglich ins Ziel zu bringen, und das habe ich getan. Wenn Nico mich hätte überholen wollen, dann hätte er das versuchen können – aber er hat es nicht getan.“

Nico Rosberg: "Lewis Hamilton hat das optimale Teamergebnis in Frage gestellt"

Rosbergs Erklärung für die fehlenden Angriffe auf der Strecke ließ nicht lange auf sich warten. „Wenn ich das versucht hätte, hätte ich mir hier nur meine Reifen erst recht zerstört“, sagte der Vizeweltmeister. „Das passiert hier, wenn man zu dicht hinter einem anderen herfährt. Und da wir das gleiche Auto haben, hätte ich nie wirklich eine Chance gehabt, vorbei zu kommen.“ Später legte Rosberg dann noch einmal nach: „Lewis hat nur in seinem eigenen Interesse gehandelt, damit aber das optimale Teamergebnis in Frage gestellt. Und das ist nicht nur meine Meinung, das sind Fakten. Darüber müssen wir jetzt intern ernsthaft reden.“

Toto Wolff bemühte sich umgehend, den Zwist seiner Piloten zu schlichten. „Natürlich hat der Führende erst mal die Aufgabe, den optimalen Teamerfolg sicher zu stellen – aber jeder Rennfahrer hat auch den Job, das für sich perfekte Rennen abzuliefern“, sagte der Mercedes-Teamchef. „Da gilt es, die richtige Balance zu finden. Ob da heute wirklich Fehler gemacht worden sind, müssen wir intern klären.“ Auf Rosbergs Intervention hin hatte das Team Hamilton zwar zwischendurch tatsächlich aufgefordert, doch bitte ein bisschen zuzulegen. Und der Weltmeister reagierte ziemlich schnell und vergrößerte seinen Abstand zu Rosberg wieder.

Nico Rosberg dürften ziemlich schnell die Argumente ausgegangen sein

Angesichts des am Ende souveränen silbernen Doppelsiegs dürften Rosberg in der Nachbesprechung aber ziemlich schnell die Argumente ausgegangen sein. Wolff meinte hinterher nur: „Es war positiv, ohne Animositäten. Lewis hatte nicht die Absicht, Nico einzubremsen, damit der vielleicht nur Dritter wird.“ Er sei etwas langsamer gefahren, „weil er mit den weichen Reifen auf Nummer sicher gehen wollte. Das ist aus seiner Sicht völlig verständlich.“

Rosbergs emotionale Reaktion scheint eher daher zu rühren, dass Hamilton im Moment meist zu schnell und nicht zu langsam für ihn ist. Der Brite gewann in Schanghai jedes Training, das Qualifying und fuhr einen Start-Ziel-Sieg ein – nebenbei auch noch die schnellste Rennrunde. Und auch bei einem späteren zweiten Reifenwechsel von Rosberg hätte daran wohl wenig ändern können, denn auch dann hätte er Hamilton auf der Strecke überholen müssen.

Im psychologischen Duell liegt Lewis Hamilton deutlich vorn

Auch im psychologischen Duell der beiden Mercedes-Fahrer ist der Deutsche spätestens jetzt ins Hintertreffen geraten. Nach dem Qualifying, als Rosberg mit seiner letzten Runde noch auf 0,04 Sekunden herangekommen war, erklärte Hamilton cool, dass er schon noch hätte „drei Zehntel schneller fahren können“, hätte sich das Team nicht mit dem Reifendruck leicht vertan. Und am Start positionierte der Brite sein Auto leicht schräg, in Richtung Rosberg und erster Kurve – eine klare Kampfansage, Platz eins auf keinen Fall hergeben zu wollen.

Die Beschwerden nach dem Rennen ließen Rosberg nach Ansicht der meisten Experten eher wie einen jammernden Verlierer aussehen. Auch wenn etwa der frühere Formel-1-Pilot Martin Brundle zu bedenken gab: „Nach den ersten Rennen hat man Nico kritisiert, dass er sich zu sehr in die Niederlage fügt, Hamilton zum Teil noch stark redet. Jetzt versucht er es halt einmal anders.“ Um dann allerdings hinzuzufügen: „Wenn er sich jetzt nicht schnellstens einmal auf der Strecke durchsetzt, dann nützt ihm das alles nichts. Aber das wird schwierig, denn Lewis macht im Moment einfach alles richtig.“

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