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Eine Frage der Gesinnung. Viele Union-Fans standen der DDR Zeit ihres Bestehens ablehnend gegenüber. Auf den heutigen Präsidenten Dirk Zingler (2. v. l.) traf das nicht zu.

© IMAGO

Frank Willmann im Interview: "Zinglers Begründung ist Blödsinn"

Der Berliner Autor Frank Willmann über den Dienst des Union-Präsidenten Dirk Zingler beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ und die Fanszene des Zweitligisten.

Herr Willmann, Dirk Zingler behauptet, er habe im Vorfeld nicht gewusst, dass das Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt war. Glauben Sie ihm das?

Ehrlich gesagt kann ich mir nur schwer vorstellen, dass er nichts davon wusste. Das wäre doch sehr untypisch gewesen. Im Rahmen der Musterung wurden Vorgespräche mit den angehenden Wehrpflichtigen geführt, wo sie zumindest andeuten sollten, für welches Regiment sie dienen wollen. Man war also dazu gezwungen, sich im Vorfeld mit seinen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.

Sie haben als Autor diverse Bücher zum Fußball in der DDR geschrieben und sich dabei auch ausführlich mit dem 1. FC Union beschäftigt. Wie setzte sich die Fanszene des Klubs damals und heute zusammen?

In den Siebzigern hat sich bei Union eine recht kritische Szene herausgebildet. Viele, die ihre Probleme mit der Staatsmacht hatten, sind in die Alte Försterei gegangen. In der Masse konnte man sich besser Luft machen und seinen Unmut über alle möglichen Dinge besser rausschreien als als Einzelner. Ich würde sagen, 80 Prozent der Unioner Fans kamen aus der Arbeiterschaft, später haben sich auch sogenannte Abweichler wie Hippies und Punks dazugesellt. Bis heute hat sich daran im Großen und Ganzen nur wenig geändert.

Dirk Zingler beruft sich gern auf seine Wurzeln als Stadiongänger und Union-Fan. Der Verein galt zu DDR-Zeiten als Gegengewicht zum von der Stasi protegierten BFC Dynamo. War es deshalb nicht ungewöhnlich, dass sich Zingler bei einem stasinahen Regiment verpflichtete?

Auf jeden Fall. Ich glaube nicht, dass viele Unioner da waren. Zumal man nicht einfach so zum Regiment „Dzierzynski“ gehen konnte. Dort hat sich eine gewisse Elite versammelt. Das waren alles Leute, die sich vorher nie etwas zuschulden haben kommen lassen und absolut konform mit dem System in der DDR gingen. Das steht im Widerspruch zu der politischen Einstellung vieler Union-Fans jener Tage.

Nach heutigem Stand hat Dirk Zingler beim Wachregiment lediglich seinen Wehrdienst abgeleistet. Anzeichen für eine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter gibt es nicht. War das bei einer so stasinahen Einrichtung überhaupt möglich?

Ich glaube schon. Obwohl er als späterer Unteroffizier natürlich auch Berichte schreiben und seinen Vorgesetzten Rechenschaft ablegen musste. Aber das gehörte dazu und ist etwas anderes als eine IM-Tätigkeit, wie sie bei Prominenten aus dem Fußball der Fall gewesen ist.

Eine Begründung von Zingler für seine Entscheidung zum Wachregiment war, dass er als Unioner unbedingt in Berlin bleiben und nicht versetzt werden wollte. Wie beurteilen Sie diese Aussage?

Das ist für mich gelinde gesagt Blödsinn. Er hätte genauso gut an einen der Außenposten versetzt werden können. Die Stasi hatte ja nicht nur in Berlin Gebäude gehabt, die es zu bewachen galt. Genauso gut hätte er nach Frankfurt an der Oder kommen können.

In der Vergangenheit hat sich Dirk Zingler immer wieder sehr ablehnend gegenüber Unions altem Erzfeind BFC Dynamo gezeigt. Wie beurteilen Sie dieses Verhalten vor dem aktuellen Hintergrund?

Ich finde das lächerlich. Er hat versucht, sich über die alte Feindschaft zu profilieren, und das nicht nur einmal. Er versteht sich als Vertreter der Union-Seele und glaubt wohl, dass man dann automatisch gegen Dynamo sein müsste.

Das Gespräch führte Sebastian Stier.

Frank Willmann, 47, hat mehrere Texte zur Fußballkultur in der DDR veröffentlicht. Er ist Mitautor des Buches „Und niemals vergessen – Eisern Union“. Willmann lebt in Berlin.

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