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Niko Kovac kommt als Frankfurts Trainer zurück nach Berlin.

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Frankfurt im DFB-Pokalfinale: Niko Kovac: Vom Wedding in die Welt

Frankfurts Trainer Niko Kovac könnte heute in seiner Heimat den bisher größten Erfolg als Coach feiern. Wir waren auf den Spuren seiner Karriere.

Den Bolzplatz gibt es immer noch. Raus aus dem Wohnhaus der Familie Kovac und nach links, die Turiner Straße immer geradeaus, vorbei an Schinkels Nazarethkirche und den Autos der vielbefahrenen Schulstraße. Gleich neben der Weddinger Musikschule an der Ruheplatzstraße, was unfreiwillig komisch klingt, denn ruhig ist es auf diesem Platz fast nie. Am späten Nachmittag jagt eine Horde junger Burschen hinter dem Ball her, Sprachfetzen aus Arabien, der Türkei und vom Balkan mischen sich. Niko Kovac ist hier als Fußballspieler groß geworden. Jeden Tag ist er mit seinem Bruder Robert nach der Schule über den Zaun geklettert, den gab’s auch damals schon, und dann ging es rund.

Der Bolzplatz an der Ruheplatzstraße ist das Gegenstück zu dem der Gebrüder Boateng ein paar hundert Meter weiter an der Panke. Nur dass die Kovac-Brüder keine Legende daraus gestrickt haben, keinen Geboren-auf-Beton-Mythos, alle paar Jahre ausgeleuchtet von Fernsehkameras. Die haben hier einfach nur Fußball gespielt, Niko, Robert und all die anderen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Zum Pokalfinale am Samstag gegen Borussia Dortmund kommen die kroatischen Brüder jetzt mit Eintracht Frankfurt zurück in ihre Heimat, Niko als Cheftrainer, Robert als Trainer. Ein Fernsehteam hatte bereits ein Besuchsprogramm im alten Kiez organisiert, aber Niko Kovac hat diesen Termin und alle anderen Anfragen abgesagt. Keine Zeit, es gibt wichtigeres zu tun – „unser Fokus liegt allein auf dem Spiel gegen Dortmund, wir müssen sehen, dass wir das kanalisiert bekommen.“ Die Vergangenheit kann warten.

„Niko war schon immer sehr ehrgeizig und konzentriert“, sagt Manuel Gräfe. Der Berliner Bundesliga-Schiedsrichter ist ebenfalls in Wedding aufgewachsen – er in der Reinickendorfer Straße, die Kovacs in der Turiner Straße. Gräfe hat mit Robert Kovac in der Jugend bei Rapide Wedding gekickt. Er weiß noch, wie der zwei Jahre ältere Niko Extraschichten eingelegt hat, wenn das eigentliche Training schon vorbei war: „Ecken und Freistöße und so, der Vater war da sehr hinterher. Robert war technisch der bessere Fußballspieler, Niko dafür cleverer. Ein echter Anführer Stratege, das war damals schon zu sehen.“

Zusammen mit Bruder Robert trainierte er unter anderem die kroatische Nationalmannschaft.
Zusammen mit Bruder Robert trainierte er unter anderem die kroatische Nationalmannschaft.

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Die Kovac-Brüder wuchsen auf in einer kroatischen Familie, der ihre Herkunft immer wichtig war. „Ich bin in Wedding geboren, das ist schon meine Heimat, aber ich bin auch Kroate, ich habe kroatisches Blut in meinen Adern. Ich würde mal sagen, ich habe zwei Heimaten“, hat Niko Kovac mal dem Tagesspiegel erzählt. „Ich habe mich immer als Kroate gefühlt. Auch vor 1991, als es den Staat Kroatien noch gar nicht gab. Ich weiß, hier in Berlin habt ihr uns früher alle einheitlich als Jugoslawen gesehen. Aber wir haben da sehr wohl Unterschiede gemacht. Und uns trotzdem alle gut verstanden.“

Den Jugendklub gibt es nicht mehr

Zum Training bei Rapide Wedding waren es mit dem Fahrrad nur ein paar Minuten. Die Turiner Straße runter bis zur großen Kreuzung an der Seestraße, hinter der schon der Schillerpark beginnt mit der riesigen Wiese, auf der auch der kleine Thomas Häßler mit dem Fußball begonnen hat, allerdings beim Konkurrenzunternehmen Meteor 06. Kovacs Jugendklub gibt es heute nicht mehr. Rapide Wedding ist im Sommer 2001 in einer Fusion mit Nord/Nordstern aufgegangen und nennt sich seitdem SV Nord Wedding. Rapides alter Platz an der Ungarnstraße, gleich neben dem Schillerpark, hat vor ein paar Jahren eine Kunstrasenfläche bekommen. „Unglaublich“, sagt Manuel Gräfe, „das war früher einer der besten Rasenplätze in ganz Berlin.“

Kovac hat keinen Kontakt mehr zu dem Klub seiner ersten Jahre. Rapide Wedding war das Sprungbrett für einen Wechsel zu Hertha Zehlendorf, wo traditionell die beste Nachwuchsarbeit im alten West-Berlin geleistet wurde. In Zehlendorf machten sich die Brüder Kovac interessant für den Profifußball. Niko blieb in Berlin und ging zu Hertha BSC, Robert wechselte nach Nürnberg. Hat zu diesen Zeiten mal der Deutsche Fußball-Bund angefragt, ob er oder Robert für Deutschland spielen würde? „Nein, das hätte ich auch nie gemacht. Aber das ist eher hypothetisch. Als ich 19 war, habe ich mit Hertha in der Zweiten Liga gespielt. Da war die Nationalmannschaft doch ein ganzes Stück entfernt.“

In seiner späten Phase hat Niko Kovac auch noch mal drei Jahre für Hertha in der Bundesliga gespielt. Die große Karriere aber machte der Mittelfeldantreiber jenseits von Berlin. In Leverkusen, Hamburg und beim FC Bayern München, mit dem er Deutscher Meister, Pokalsieger und Weltcupsieger wurde. Mit der kroatischen Nationalmannschaft spielte Niko Kovac bei den Weltmeisterschaften 2002 und 2006, zuletzt trug er das prestigeträchtige Trikot mit der Nummer 10. Mehr aus Zufall, denn „Zvonimir Boban, der vorher die 10 hatte, hörte gerade auf. Die anderen Nummern waren schon vergeben, da blieb nur noch die 10 für mich, und ich habe sie halt genommen“.

Topfit wie eh und je

Niko Kovac ist einer, der nicht lange zögert, wenn sich eine Chance bietet. So war das bei der Nummer 10, und so war das auch, als der kroatische Verband ihm in einer kritischen Phase des Amt des Nationaltrainers antrug. Kovac schlug ein und führte die Mannschaft mit Bruder Robert in zwei Play-off-Spielen gegen Island noch zur WM 2014 nach Brasilien. Auch das Engagement in Frankfurt war nicht ohne Risiko. Wieder übernahmen die beiden Brüder gemeinsam und schafften über die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg noch den Verbleib in der Bundesliga.

Niko Kovac ist jetzt 45 Jahre alt, die Bartstoppeln werden langsam grau und doch wirkt er immer noch topfit. Wie er da auf den Zehenspitzen am äußersten Rand seiner Coachingzone hin- und hertrippelt, erweckt das den Anschein, als würde er am liebsten sofort auf den Platz springen und mitspielen. In der alten Heimat könnte er nun als Pokalsieger den größten Erfolg seiner noch jungen Trainerkarriere feiern. Vor Kartenanfragen hat er sich kaum retten können. „Ich habe schließlich den Großteil meines Lebens in Berlin verbracht, ich werde viele Verwandte und Freunde treffen.“ Aber erst, wenn die Arbeit getan ist.

Auch ein gemeinsames Bier mit Manuel Gräfe ist eingeplant. Die beiden laufen sich im Bundesligaalltag immer mal wieder über den Weg. Zuletzt hat Gräfe die Frankfurter vor drei Wochen bei ihrer Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg gepfiffen und dabei einen typischen Kovac erlebt. Da war eine Schwalbe des Frankfurters Mijat Gainovic im Strafraum, der Schiedsrichter sanktionierte sie mit einer Gelben Karte. Kovac hat Gräfe spontan zugerufen: „Super, Manu, völlig richtige Entscheidung! Solche dreckigen Aktionen will ich von meinen Spielern nicht sehen!“

So etwas erlebt ein Schiedsrichter auch nicht alle Tage.

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