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Frauen-Nationalmannschaft: Tingeln für Deutschland

Mehr als 40.000 Fans werden am Mittwoch in Frankfurt das Testspiel der deutschen Fußballerinnen gegen Brasilien sehen. Damit auch bei der WM 2011 die Stadien voll werden, sind Ex-Nationalspielerinnen auf Werbetour im ganzen Land.

Berlin - Schwungvoll unterschreibt Renate Lingor auf der rosa Babylatzhose und streicht dem kleinen Mädchen, das auf dem Arm seiner Mutter sitzt, über die Wange. Dann zeigt die Kamera das Gesicht der jungen Mutter. Wer denn stolzer sei, Mama oder Baby, wird sie gefragt. „Beide“, sagt sie sichtlich gerührt. Die Szene ist in einer Videosequenz der Online-Zeitung mehr-hunsrueck.de zu sehen. Im November 2008 verschlug es die zweifache Fußball-Weltmeisterin Renate Lingor nach Rheinböllen, ein 4000-Einwohner-Kaff im Hunsrück. Dort weihte die 33-Jährige, die ihre Karriere nach den Olympischen Spielen in Peking beendet hat, eines der 1000 Mini-Spielfelder ein, die der Deutsche Fußball-Bund gestiftet hat.

Zuschauer-Europarekord in Frankfurt

Renate Lingor tingelt wie auch die früheren Nationalspielerinnen Britta Carlson, Silke Rottenberg und Sandra Minnert als Botschafterin der WM 2011 durch die Lande, um Enthusiasmus für den Frauenfußball und die WM zu entfachen, die ein großes Familienfest werden soll. In Frankfurt am Main, wo es heute (18.15 Uhr, live im ZDF) im Länderspiel gegen Brasilien zur Neuauflage des WM-Finales von 2007 kommt, muss Lingor nicht werben. Unzählige Plakate und Radiospots künden dort von dem Spiel, für das im Vorverkauf mehr als 41 000 Tickets abgesetzt wurden. Das ist Europarekord für Frauenfußball, die bisherige Bestmarke, aufgestellt bei der EM 2005 in England, liegt bei 29 093 Besuchern. Im Herbst will sich das DFB-Team zu einem Test gegen Olympiasieger USA in die 66 000 Zuschauer fassende Münchner Arena wagen, beim WM-Eröffnungsspiel mit Titelverteidiger Deutschland soll das Berliner Olympiastadion mit 74 000 Fans ausverkauft sein.

Doch „noch ist nicht in alle Winkel durchgedrungen, dass eine WM stattfindet“, sagt Lingor, „das ist nicht so wie 2006“. Die WM sei kein Selbstläufer, nicht alle hätten die „Faszination Frauenfußball“ für sich entdeckt. Das will Lingor ändern. Sie arbeitet hauptamtlich beim DFB, in der Abteilung „Städte und Stadien“ des von Steffi Jones geleiteten WM-Organisationskomitees und eben als WM-Botschafterin. Bei ihren Einsätzen geht es nicht nur um das Nationalteam, auch Erst- und Zweitligisten und Jugendteams will sie in den Blickpunkt rücken. Mehr als eine Million Mädchen und Frauen spielen in Deutschland im Verein Fußball, doch Lingor und ihre Mitstreiterinnen wünschen sich noch mehr Mädchen am Ball und mehr Unterstützung für sie auch im kleinsten Verein.

Renate Lingor zeichnet Ehrenamtliche aus und kickt mit Schul-AGs

Auf ihrer Werbetour hat Lingor in Aschaffenburg ehrenamtliche Helfer ausgezeichnet, die seit 30 Jahren Trikots waschen und Kabinen putzen, war bei einem Mädchenturnier in Bad Kissingen und hat im Ellental-Gymnasium in Bietigheim Mädchen der Fußball-AG ein paar Tricks vorgeführt. Zu einem Spiel des Zweitligisten SV Sand kamen 200 Fans mehr als sonst, weil Lingor über Stadionlautsprecher ein Interview gab und, wie überall, unzählige Autogramme schrieb.

Bis zu einhundert Termine absolviert eine WM-Botschafterin pro Jahr. Es sind viele winzige Schritte, um hier ein paar Mädchen für Vereinsfußball zu begeistern und dort eine Familie zu animieren, sich vom Herbst an Tickets für 2011 zu sichern. „Die Arbeit ist intensiv, aber schön“, erzählt Lingor. „Die Kinder sind mit viel Begeisterung dabei und freuen sich riesig, uns zu sehen. Das ist Dank genug für jeden Kilometer auf der Autobahn.“ Einmal allerdings gab es eine Panne: „Da wurde nicht durchgesagt, dass wir Autogramme geben.“ Und das, findet Lingor, geht gar nicht. Es müsse klar sein, „dass wir hautnah da sind“.

Helen Ruwald

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