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Sport: Frauenfußball-EM: Die Frau, die nie genug kriegt

Nach 50 Minuten war es Zeit für das Ritual. Birgit Prinz hatte den Ball zum 2:0 der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft gegen Russland ins Tor gedroschen und raste los.

Nach 50 Minuten war es Zeit für das Ritual. Birgit Prinz hatte den Ball zum 2:0 der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft gegen Russland ins Tor gedroschen und raste los. Sie rannte und rannte. Übers halbe Spielfeld des Steigerwaldstadions, über die Mittellinie zum Seitenaus. Dort wartete Ersatzspielerin Ariane Hingst und klatschte die Torschützin ab. "Schon bei den Olympischen Spielen in Sydney hatten wir ein Ritual, und wir dachten, zur EM machen wir wieder was", sagt Birgit Prinz. Durch die zusätzliche Lauferei bei brütender Hitze vergeudete sie auch keine unnötige Energie - im Gegenteil, das Tor trieb sie an. Sie bereitete das 3:0 von Maren Meinert vor.

"Es ergibt sich, dass man, wenn man offensiv spielt, mal das Tor trifft", sagte die Mittelstürmerin nach dem 5:0-Sieg. Bei ihr ergibt es sich ziemlich oft. In 83 Länderspielen hat sie 37 Tore geschossen, damit liegt sie in der Liste der besten Deutschen auf Rang vier hinter Heidi Mohr (83), Silvia Neid (47) und Bettina Wiegmann (39). Dabei ist sie erst 23. Mit 15 machte sie ihr erstes Bundesligaspiel, mit 16 ihr erstes Länderspiel. Beim EM-Sieg 1995 gegen Schweden traf sie im Finale zwei Minuten nach ihrer Einwechslung, auch beim Titelgewinn 1997 gegen Italien machte sie im Endspiel ihr Tor und wurde zur besten Stürmerin gewählt. Bei Olympia in Sydney war sie zweitbeste Torjägerin, in der abgelaufenen Bundesligasaison hieß die Torschützenkönigin - wie wohl? - Birgit Prinz: 24 Treffer in 22 Spielen. Wenn Spiele längst entschieden sind, ackert sie weiter, "ich habe keinen Bock, nach dem 2:0 aufzuhören".

Ihre Energie wird Birgit Prinz bei dieser EM noch brauchen. Deutschland steht bereits als Gruppenerster fest und hat das Halbfinale am kommenden Mittwoch in Ulm erreicht. Nachdem Olympiasieger Norwegen, der große Favorit der Gruppe B, gegen Italien nur 1:1 spielte, könnte das DFB-Team schon im Halbfinale auf die Skandinavierinnen treffen - wenn diese nur Zweiter werden. Heute ist im unwichtig gewordenen letzten Gruppenspiel in Jena erst einmal England (14.10 Uhr, live im ZDF) der Gegner. Auch hier zählt nur ein Sieg. "Wir können uns kein schlechtes Spiel leisten." Nicht jetzt, wo die Fußballerinnen endlich mal ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen. Denn was sich sonst in der Bundesliga abspielt, findet Stürmerin Prinz ziemlich frustrierend: "400 Zuschauer und mal dreieinhalb Minuten im Fernsehen, das ist alles. Und das wird sich nicht so schnell ändern."

Es sei denn, sie wechselt in die US-Profiliga, wo bereits Doris Fitschen, Maren Meinert und Bettina Wiegmann spielen. Die Späher aus den USA sind angeblich hinter der halben Nationalmannschaft her. Kaum vorstellbar, dass ausgerechnet an Prinz keiner Interesse haben soll, auch wenn sie von keinem konkreten Angebot weiß, "der Verein und die Presse wissen immer mehr". Ihr Vertrag in Frankfurt jedenfalls enthält eine Ausstiegsklausel zur Winterpause. Im März 2002 will sie ihre Ausbildung zur Physiotherapeutin abschließen. Unmittelbar danach ist Saisonbeginn. In den USA.

Helen Ruwald

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