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Sport: Frauenfußball-EM: Diesmal ins richtige Tor getroffen

Sie hätte auch als Verliererin durchgehen können. Renate Lingor war viel zu erschöpft, um sich zu freuen.

Sie hätte auch als Verliererin durchgehen können. Renate Lingor war viel zu erschöpft, um sich zu freuen. Die Kraft reichte gerade noch, um die Wasserflasche zu halten nach dem Spiel in der Hitze. Die Mittelfeldspielerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft kauerte nach dem 1:0 im EM-Halbfinale gegen Olympiasieger Norwegen im durchgeschwitzten Trikot im Presseraum des Ulmer Donaustadions auf dem Boden, den Rücken an der Wand, auf der Stirn ein paar Falten, und blickte ins Leere. Auf dem Podium schwärmte Bundestrainerin Tina Theune-Meyer derweil: "Sie war überragend, das war sensationell."

Lingor reagierte nicht auf das Lob. Erst Torjubel, der durchs offene Fenster hereinkam, ließ sie aufgucken. Schweden hatte im zweiten Halbfinale die Führung gegen Dänemark geschossen, gewann ebenfalls 1:0 und ist am Sonnabend im Donaustadion Gegner der Deutschen. In der Vorrunde hatte das DFB-Team, das bei dieser EM in vier Spielen vier Siege holte und bislang nur ein Gegentor kassierte, die Skandinavierinnen 3:1 geschlagen. "Das erste Ziel, das Finale, ist erreicht", sagte Abwehrspielerin Kerstin Stegemann, "das zweite erreichen wir hoffentlich auch." Den dritten EM-Titel in Folge nämlich.

"Ich bin froh, wenn ich im Bett liege", war Lingors Kommentar zum Sieg durch den Treffer von Sandra Smisek in der 57. Minute. Er glückte an einem Jubliläumstag: Exakt vor 47 Jahren, am 4. Juli 1954, waren die deutschen Männer in Bern erstmals Fußballweltmeister geworden. Doch daran dachten die Frauen nicht, die unmittelbar nach dem Schlusspfiff durchaus noch Kraft hatten für Emotionen. Gemeinsam mit den meisten der 13 524 Zuschauer waren sie hochgehüpft, als das Spiel aus war. Endlich. Das Zittern, dass doch noch der Ausgleich fallen würde, war vorbei, der Druck weg, es als Gastgeber und Titelverteidiger unbedingt ins Finale schaffen zu müssen, die Revanche geglückt für das 0:1 im Halbfinale des olympischen Turniers von Sydney. Erleichtert war vor allem eine: Tina Wunderlich.

Sie spielte gestern gar nicht, hatte aber seit neuneinhalb Monaten dieses Eigentor mit sich herumgeschleppt, das sie in Sydney nach 80 Minuten geköpft hatte und das den Traum vom Finale platzen ließ. Die blöden Sprüche, die ständigen Nachfragen, all das ist nun Geschichte, seit gestern der Olympiadritte den Olympiasieger schlug.

"Das war ein herausragendes Spiel mit Tempo, Rasanz, spielerischen Elementen und Torszenen", lobte die Bundestrainerin. Nach fünf Minuten aber hatten die Gastgeber Glück, dass es keinen Elfmeter gegen sie gab: Torfrau Silke Rottenberg riss eine Norwegerin mit den Händen an der Strafraumgrenze um, doch der Pfiff blieb aus. In der 57. Minute ging das deutsche Team dann verdientermaßen in Führung: Prinz flankte scharf von links, Smisek flog mit dem Kopf voraus in den Ball und dieser ins Tor. Für die Torschützin war klar, dass sie am Tag nach ihrem 24. Geburtstag treffen würde. "Das hat unsere Physiotherapeutin Christel Arbini gesagt". Die hatte Smisek auch zwei Tore für das Spiel gegen Russland (5:0) prophezeit. Und Smisek schoss prompt zwei Tore.

Auch die Norwegerinnen kamen einige Male gefährlich vor Rottenbergs Tor. Und so hätte das DFB-Team ein paar Minuten weniger zittern müssen, wenn Claudia Müller besser getroffen hätte. Für Pia Wunderlich eingewechselt, vergab sie zwei riesige Chancen. "Die hatte zwei Dinger auf dem Schuh", sagte Theune-Meyer, "hoffentlich hat sie sich das aufgehoben für Samstag."

Helen Ruwald

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