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Die deutsche Nationalmannschaft beim Training für die EM.

© dpa

Frauenfußball-EM von Geschlechterklischees verklebt: Von der Waschküche ist es zur Reizwäsche nicht mehr weit

Seit der Fußball-WM im eigenen Land vor zwei Jahren herrscht Stillstand in der Wahrnehmung der Deutschen vom Frauenfußball. Dabei sollte der Frauenfußball sich endlich vom Männerfußball emanzipieren.

Diese Vorstellung ist gründlich misslungen: kein Treffer und sich selbst noch ins Abseits gestellt. Vom Titelverteidiger muss doch mehr kommen als ein 0:0 gegen die titellosen Niederländerinnen. Aber die Empörung gilt gerade gar nicht der Leistung der Nationalelf zum Auftakt der Fußball-Europameisterschaft der Frauen. Der EM-Werbespot des ZDF ist der Aufreger, in dem eine Spielerin den Ball in eine Waschmaschine kickt. Spot schlägt Sport. Der Frauenfußball ist in der Waschküche gelandet, bis zur Reizwäsche ist es dann auch nicht mehr weit. Zwei Jahre – seit der pompös inszenierten Weltmeisterschaft in Deutschland – rollte der Frauenfußball ruhig vor sich hin. Jetzt, zur EM, muss er auf einmal wieder eine Geschlechterdebatte tragen. Sport an sich kann gut und gerne als Austragungsort für gesellschaftliche Entwicklungen herhalten. Sportvereine haben der Gesellschaft etwa vorgemacht, wie sie Zuwanderer integrieren sollte. Doch der Umgang mit dem Frauenfußball scheint sich seit Jahren nicht weiterzuentwickeln.

Frauen werden immer mit Männern verglichen

Die Abseitsfalle für den Frauenfußball ist der Vergleich. In ihm steckt mehr Risiko als Chance. Immer wieder tauchen die Männer als Vergleichsgröße auf, sei es bei den Zuschauerzahlen, Gehältern oder dem Niveau des Spiels. Dem Fußball der Frauen ist bisher noch keine Selbstverständlichkeit geschenkt worden, wie es sie in anderen Sportarten gibt. Kein Mensch käme auf die Idee, Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufer zu vergleichen, beide leben in wunderbarer Koexistenz, mit jeweils eigenen Merkmalen. Und dass Männer schneller rennen, höher springen und weiter werfen, ist eben so, was soll’s, Männer und Frauen tragen Leichtathletikwettbewerbe trotzdem gemeinsam im Stadion aus.

Würde es helfen, den Fußball der Frauen als eigene Sportart zu begreifen? Als Spiel mit eigenem Tempo und eigener Ästhetik? Athletik ist im Fußball schließlich nicht alles, es kommt aufs Zusammenspiel an. Doch eine Fußballspielerin sieht sich zu Recht als Fußballspielerin, nicht als Frauenfußballspielerin, eine Trennung würde nur den Spott heraufbeschwören, dass Frauen den richtigen Fußball nicht beherrschten.

Es gibt Gründe, warum die Geschlechterdebatte im Frauenfußball weiter mitspielen wird. Zum einen die Geschichte des Frauenfußballs. Er hatte noch nicht die Gelegenheit, sich lange Traditionen zu erspielen und trifft so auf männliche Fußballfan-Identitäten, die von Vätern auf Söhne weitervererbt wurden. Vor allem musste sich der Frauenfußball erst einmal gegen die Widerstände der Männer durchsetzen. So ist seine Vergangenheit auch eine Emanzipationsgeschichte.

Fußball als Spiel

Hinzu kommt eine tiefe Verunsicherung über Rollen in der Gesellschaft, spürbar in Debatten über Quoten und darüber, wann eigentlich die Grenze zum Sexismus überschritten ist. Und ist es nun gut, wenn Frauen Fußball spielen wie die Männer, genauso grätschen und foulen? Oder muss da doch der kleine Unterschied sein? Analog zur Frage, ob eine Managerin sich nicht auch anders verhalten muss als ihr männlicher Kollege.

Das Ärgerliche an der gesellschaftlichen Überhöhung des Frauenfußballs ist bisher jedenfalls, dass so wenig Impulse, so wenig Bedenkenswertes von ihr ausgehen, weil sie von Klischees verklebt ist, das Waschprogramm macht es nur schlimmer. Nicht nur den Nationalspielerinnen bei der EM wäre daher geholfen, wenn Fußball mehr als Spiel wahrgenommen würde, auch als ihr Spiel.

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