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Sport: Freie Fahrt

Lance Armstrong deklassiert erneut Jan Ullrich und gewinnt die zweite Pyrenäen-Etappe bei der Tour

Es dauerte Minuten, bis sich der Atem von Andreas Klöden zumindest so sehr beruhigt hatte, dass er dem T-Mobile Pfleger Eule Ruthenberger zur physiotherapeutischen Erstversorgung und zur Dopingkontrolle folgen konnte. Bis dahin stand er einfach nur da, auf sein Rad gestützt und wartete, bis sein Körper wieder irgendetwas anderes wahrnehmen konnte als den Schmerz nach einer Anstrengung, für die ein Mensch eigentlich nicht vorgesehen ist. Die Frage, ob er im 16 Kilometer langen Schlussanstieg zum Plateau de Beille auf seinen einstigen Mannschaftskameraden Jan Ullrich gewartet hatte, erübrigte sich. Klöden hatte alles gegeben, um sich auf den vierten Tagesrang hinter Lance Armstrong, Ivan Basso und Georg Totschnig zu kämpfen. Bis Ullrich ins Ziel kam, dauerte es lange weitere knapp eineinhalb Minuten.

Die Frage, wer denn nach Ullrichs Einbruch am Freitag nun der Fahrer des T-Mobile Teams für die Gesamtrangfolge ist, beantwortete sich damit eigentlich von selbst. Allerdings hatte die Teamleitung nach der ersten Bergetappe auch am Samstag auf Ullrich gesetzt, obwohl Klöden schon am Freitag deutlich stärker fuhr als sein Chef: „Ich habe gestern Abend von 1998 geträumt“, sagte Walter Godefroot in La Mongie. Damals erlitt Ullrich einen Einbruch in den Alpen, den er am nächsten Tag jedoch mit einem Etappensieg wieder gutmachte.

Das Comeback blieb in diesem Jahr aus, Jan Ullrich konnte schon 12 Kilometer vor dem Ziel am Plateau de Beille nicht mehr mit Armstrong, Basso, Totschnig, Klöden und den anderen starken Männern des Tages mithalten. Trotzdem wollte er im Ziel eine leichte Besserung zum Vortag festgestellt haben: „Wenn ich weiter jeden Tag solche Fortschritte mache, dann versuche ich in den Alpen noch einmal anzugreifen“, sagte Ullrich. Aber er gab auch zu, schon am Vorabend seinem einstigen Helfer Klöden freie Fahrt erteilt zu haben: „Wenn du die Beine hast, dann warte nicht auf mich“, hatte er im Hotel gesagt – nicht gerade die Worte von einem, der noch ernsthafte Siegabsichten in sich trägt.

Die hat Armstrong sehr wohl, und er untermauert sie in diesen Tagen auch mit Taten. Wie schon am Freitag konnte auch am Samstag wieder nur der überraschende starke Ivan Basso mit Armstrong mithalten, den Armstrong für eine der größten Hoffnungen für die Zukunft der Tour hält. Anders als in La Mongie bestand Armstrong am Plateau de Beille jedoch darauf, auch als Erster über die Ziellinie zu fahren. Schon 500 Meter vor dem Ziel zog er für die Fotografen sein Trikot ordentlich zurecht, noch bevor er Basso übersprintete: „Ich wollte die 20 Sekunden Zeitbonifikation“, sagte Armstrong .

Das Gelbe Trikot durfte der US-Amerikaner trotzdem noch nicht überstreifen – der junge Elsässer Thomas Voeckler verteidigte es und rettete 22 Sekunden Vorsprung vor Armstrong ins Ziel. Das nötigte Armstrong Respekt ab, der fand, nach dieser Leistung habe Voeckler das Trikot jede Minute verdient, die er es noch besitzt. Weniger eindrucksvoll konnte Armstrong hingegen das Abschneiden seiner vermeintlichen Herausforderer finden. Tyler Hamilton gab am Samstag mit Rückenbeschwerden das Rennen auf, der Spanier Iban Mayo verlor 37 Minuten, nachdem er die Etappe nur auf Zureden seiner Mannschaftskollegen zu Ende fuhr. Ullrich hat nun sieben Minuten und eine Sekunde Rückstand auf Voeckler – und 6 Minuten und 39 Sekunden auf Armstrong. Eine Erklärung für das Aus der Favoriten hatte Lance Armstrong nicht, es schien ihn auch wenig zu interessieren. „Wir schauen uns jeden Tag das Rennen an, streichen ein paar Namen von der Liste und fügen neue hinzu“, sagte Armstrong gelassen.

Heute im Fernsehen:

Die 14. Etappe, Carcassonne – Nimes, live.

SENDEBEGINN 13.55 Uhr (ZDF)

15 Uhr (Eurosport)

Sebastian Moll[Plateau De Beille]

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