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Sport: Friede, Freude, Götterspeise

Design-Professor Klaus Hesse über die Maskottchen der Olympischen Spiele in Athen

Auffällig sind die großen Flossenfüße, der fast kopflose Hals und die auf Handlänge geschrumpften Arme. Eine der Figuren trägt eine blaue Ganzkörpertoga, die andere das Gleiche in Orange mit aufgemalten Brüsten.

Eine große Geschenkschleife ziert jeweils den Wanst. Auf den ersten Blick glaubt man an Pinguine, auf den zweiten an Seehunde, beim dritten an weitere Auswanderer des Planeten Melmac. In Erinnerung an die Schuhgröße des Weltrekordschwimmers Ian Thorpe flackert kurz der Verdacht auf, dass es sich um eine uns noch unbekannte Wassersportart handeln könnte. Nichts davon ist richtig. Athina und Phivos sind Götter. Was sonst, im Lande des Olymps drängen sich die archaischen Mythen und Sagen nahezu auf. Hoffentlich kommt nun keiner unserer olympischen Vorarbeiter für Leipzig 2012 auf die Idee, die Nibelungensagen auszuschlachten und beispielsweise Siegfried und Gudrun als Maskottchen zu vermarkten. Die Storys der Griechen sind einfach besser.

Beim Entwurf der offiziellen olympischen Glücksbringer ließ sich der griechische Designer Spyros Gogos von einer vorchristlichen Terracotta-Figur aus dem Athener Nationalmuseum inspirieren. Was man nicht sieht, ist, wie viel Gehirnschmalz der Entwerfer und seine Auftraggeber in die Püppchen investiert haben. Politisch korrekt ist die Trennung der Geschlechter. Athina übernimmt dabei die aus der griechischen Mythologie überlieferte Rolle der Schutzpatronin Athens.

Sie ist auch die Göttin der Weisheit und des Friedens. Phivos ist auch als Apollo bekannt und ist der Gott des Lichts und der Musik. Die griechischen Organisatoren projizieren damit ihre größten Sorgen auf die kleinen Figürchen. Gute Unterhaltung und absolute Sicherheit zu gewährleisten, zehrt an den Nerven. Doch noch haben die Griechen die Ruhe weg. Erst jetzt, vier Monate vor der Eröffnung, haben sie sich angesichts des bevorstehenden Chaos einen Ruck gegeben und lassen auch nachts auf den Baustellen durcharbeiten. Es wird schon gut gehen. Ein bisschen beschwörender Aberglaube hilft über das Gröbste hinweg. Die griechischen Sportsfreunde haben bei Festlegung der Maskottchen an alles gedacht.

Vergessen haben sie, dass die olympischen Maximen schneller, höher und weiter auch für die Gestaltung des Talismans gelten sollten. So watscheln Athina und Phivos selig grienend der Eröffnungsfeier entgegen. Künstlerisch halten die göttlichen Zwillinge einen Vergleich mit dem kleinen Hündchen „Gobi“ von Javier Mariscal für Barcelona 1992 eindeutig nicht stand. Selbst unser „Waldi“ von 1972 zeigt mit seinem gestreiften Pop-Art-Muster mehr Mut.

„Kein großer Wurf, putzig und harmlos“, so die Meinung der deutschen Designelite zu den Athener Doppel-Maskottchen. „Aber halb so wild, es gibt Schlimmeres, sogar im eigenen Land.“ Sie meinen Beckenbauers Liebling: das infantile Logo für die Fußball-WM 2006 in Deutschland.

Der Autor ist Professor an der Hochschule für Gestaltung Offenbach.

Klaus Hesse

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