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Sport: Fröhliches Treiben im hintersten Winkel

BERLIN .Zeitweise bewölkt mit Schauern.

BERLIN .Zeitweise bewölkt mit Schauern.Der Wetterbericht hat dem ersten Besuch auf einer Tennisanlage wenig Aussicht auf Erfolg gegeben.Ganz dem Ruf der noblen Veranstaltung folgend in feinen Zwirn gehüllt, betritt der Erstling das Gelände und wird von Jugendlichen, mit Stift und Buch bewaffnet, umgerannt.Die Zöglinge der guten Gesellschaft haben, alles andere als zurückhaltend, eine junge Dame in ihre Mitte genommen und schieben sie langsam in Richtung Stadion."Wie diese Autogrammjäger wieder die Martina Hingis bedrängen, einfach unglaublich", raunt eine ältere Stimme und bewegt sich pikiert zur Sektbar.

Nach diesem ersten Eindruck nähert sich der Neuling seinem eigentlichen Ziel, dem Stadion oder, wie ihn ein vornehmer Besucher unterwegs aufklärt, dem Centre Court.In freudiger Erwartung erklimmt er die Stufen zu der zentralen Arena und zeigt dem freundlichen Einlasser seine Karte.Dieser erklärt ihm flüsternd: "Sie können Ihren Sitzplatz aber erst beim nächsten Seitenwechsel einnehmen.Es soll kein Lärm entstehen." Hervorragend, denkt er sich und freut sich schon auf die ehrenwerte Gesellschaft.Diese aber erweist sich beim ersten Kennenlernen als recht hemdsärmelig."Mann, haben Sie diesen Bums der Williams gesehen", sagt ein wohl fachkundiger Nachbar und meint damit den Versuch einer jungen Dame, den gelben Filzball auf dem roten Sandplatz über das Netz zu befördern.Aufregender noch gestaltet sich das Geschehen im Publikum.Jeder Tropfen, nicht standesgemäßer Champagner, sondern bereits angekündigte Regenschauer, sorgen für ein heiteres Spiel: Von "Oh"-Rufen begleitet, öffnet der erste seinen Schirm, und reflexartig reagiert das gesamte Publikum.Kaum ist der Regen vorbei - schwupp - schon gehen die Schirme zu.Beim nächsten Tropfen neues Spiel und neues Glück.

Nach ungefähr zehn Schirm-Öffnungen und 50 Spielen - der Neuling dachte das Ganze sei ein Spiel, aber sein Nachbar nennt es Match - kehrt er dem Treiben etwas gelangweilt den Rücken.Zum einen, weil er keinen Schirm hat, zum anderen, weil ihn die Partie nicht vom weich gepolsterten Hocker reißt.Interessanter erscheint da das sogenannte Treiben drumherum.Auf den Nebenplätzen versuchen ebenfalls junge Damen, den Ball über das Netz zu jagen.Wenig Publikum verfolgt das Schauspiel.Ob das an den fehlenden Sitzmöglichkeiten für das feine Publikum liegt?

Im hintersten Winkel der Anlage dann die Überraschung.Ein fröhliches Spiel vor 100 Jugendlichen.Jeder Ballwechsel wird beklatscht, ein Trikottausch bejubelt.Der Neuling ist verwirrt."Die stehen hier alle wegen Anna Kurnikowa", erklärt ein Herr.Verkehrte Welt? Vielleicht sollte in Zukunft das lockere Spielchen auf einem Hauptplatz und das Spiel um den Lorbeer auf einen Nebenplatz verlegt werden.Der Unbekannte freut sich schon auf sein nächstes Tennis-Ereignis.

INGO WOLFF

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