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Alle nach vorne! Bob Hanning in Aktion. Für den Macher der Füchse dreht sich alles um Handball. Und wenn er mal abspannen will, trainiert er die Jugendmannschaft.

© Harald Ottke

Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning: Seine Hände im Spiel

Bob Hanning hat ein kleines Wunder geschafft. Er kam von außen und machte Handball in Berlin zum Ereignis - und die Füchse zu einem europäischen Erfolgsteam.

Eingekesselt zwischen Eiskunstläufern, Turnern, Boxern, Leichtathleten, Konzentration aufs Wesentliche: Die Handballer trainieren, ruhige junge Männer mit breiten Kreuzen. Von den Eiskunstläufern nebenan weht Geigenspiel herüber. Hier drinnen quietschen Sohlen. Die jungen Männer schwitzen. Eine Stimmung wie im Maschinenraum. Metallisch kracht das Tor, als der Ball den Pfosten trifft. „Wo ist dein Anspruch an dich selbst?“, brüllt der Trainer.

Die Mannschaft ist die A-Jugend der Füchse Berlin. Der Nachwuchs. Ihr Trainer steht morgens um acht Uhr hier im Sportforum Hohenschönhausen, weil das Nachwuchstraining seine Art ist, abzuschalten. Bob Hanning, 44, hauptberuflich Geschäftsführer der Füchse – verantwortlich für ein kleines Handball-Wunder. Denn die Füchse waren, bis er kam, eine Mannschaft mit großer Vergangenheit, aber wenig Gegenwart – und nun stehen sie am heutigen Samstag im Final Four der Champions League in der Köln-Arena. 20 000 Zuschauer wollen sehen, wie sich die Füchse im Halbfinale gegen den THW Kiel schlagen, die wohl stärkste Mannschaft der Welt (15.15 Uhr live bei Eurosport).

Handball kann auch eine ganz große Bühne sein. Es ist vielleicht die deutscheste aller Sportarten, auch wenn am Ende nicht immer die Deutschen gewinnen. Aber die Bundesliga ist die beste Liga der Welt. Und: Handball wurde von einem Berliner erfunden. Trotzdem zeigt der Aufstieg der Füchse, wie viel sich von einem bewegen lässt, der die meiste Zeit von außen auf Berlin geschaut hat.

Hanning kommt aus dem Ruhrgebiet, aus Essen, auch eine Handballstadt. Er war Co-Trainer der Nationalmannschaft neben Heiner Brand und brachte in Hamburg Handball mit dem HSV nach oben. Einer wie er verdient eine Viertelmillion Euro im Jahr. Und hat doch Spaß daran, von unten neu anzufangen.

Beim morgendlichen Nachwuchstraining sechsmal in der Woche versucht er auch, die Basis für die Zukunft zu legen. „Schauen Sie auf diese Spieler“, sagt Hanning, „einen guten Trainer macht aus, dass er sieht, wer Führungsspieler ist, wer Teamspieler und wer Individualist.“ Er kann das. Vielleicht auch, weil er selbst alles auf einmal ist: Führungsspieler, Teamspieler und Individualist.

Als Hanning 2005 beim Bundesligaklub HSV Hamburg entlassen wurde, waren die Füchse, die damals noch die Reinickendorfer Füchse hießen, nur noch ein Gerüst von einem Handballklub. Hanning kam das sehr gelegen. „Je weniger Struktur da ist, desto mehr kannst du gestalten. Die Spieler zusammen waren nur eine Thekenmannschaft, und der Verein hatte gerade seine Lizenz verloren.“ Der Zwangsabstieg drohte. Perfekt für einen gelernten Kaufmann, der etwas Eigenes aufbauen wollte. „Ich hatte den Traum, einen Verein mal ganz anders zu machen, Handball mal als Ganzes sehen.“

Am Anfang des Aufstiegs steht eine Legende. Als er nach Berlin kam, um die Füchse zu einer Berühmtheit zu machen, fand er nur einen Schuhkarton mit alten Rechnungen – so wie Dieter Hoeneß bei Hertha nur eine alte Schreibmaschine gefunden hatte. In Hannings Büro in Lichtenberg stand kein Computer, kein Faxgerät, kein Kopierer. Wenige Jahre später spielen die Füchse in der Champions League.

Wie viel davon wahr ist, lässt sich immerhin im Ansatz prüfen. In der neuen Geschäftsstelle der Füchse. Sie befindet sich nicht mehr in Lichtenberg, sondern am Gendarmenmarkt, erster Stock, fünf Vollzeitmitarbeiter, zwei in Teilzeit, Blick über den Platz. „Wenn ich einmal schlechte Laune habe, gehe ich eine Runde über den Platz, dann weiß ich wieder, wie gut es mir geht. Berlin gibt mir dann das Gefühl, dass du hier alles machen kannst“, sagt Hanning, auf dessen Schreibtisch das „Manager Magazin“ liegt und die CD „Die drei Fragezeichen“, Folge 128, „Schatten über Hollywood“.

Den Schuhkarton hätten sie gut aufgehoben, aber als Hanning in einen Schrank greift, fällt eine gewöhnliche Paketschachtel heraus, die überquillt von Verkaufsprospekten des Projekts Füchse, von Eintrittskarten, und ein alter Reisepass Hannings, in dem sein richtiger Vorname steht, Robert, ist auch dabei. „Das ist unsere Erinnerungskiste“, sagt Hanning und sein Geschäftstellenleiter fügt hinzu: „Wir wären doch schlechte Kaufleute, wenn da jetzt noch Rechnungen drin wären.“

So sagt die Legende mit dem Schuhkarton nicht nur etwas über die Füchse, sondern auch über ihren Aufstiegshelfer Bob Hanning. „Bob ist sein eigener Verkäufer“, sagt einer aus der Handball-Bundesliga. Ein Überzeuger ist Hanning. Einer, der weiß, dass man alles immer etwas dramatischer darstellen muss, um andere für seine Pläne zu gewinnen. In Hamburg ließ er sich einmal für eine Boulevardzeitung im Napoleon-Kostüm fotografieren.

Handball hat manche Städte in Deutschland erst auf die Landkarte gebracht, Gummersbach, Großwallstadt. Auch in Berlin hat Handball Tradition, bis Mitte der Achtzigerjahre spielten die Reinickendorfer Füchse in der Bundesliga und im Osten wurde der SC Dynamo Berlin einmal DDR-Meister. Doch es ist nicht so, dass Berlin auf die Füchse gewartet hätte. Bundesligaklubs gibt es mehr als genug, Hertha, die Eisbären, Alba, die Volleyballer, Spandaus Wasserballer. Hanning traf eine Entscheidung. „Wir wollen ein Gesamtberliner Klub sein.“ Deshalb änderte er den Namen des Handballteams, Berlin rein, Reinickendorf raus. Und deshalb spielen sie in der Max-Schmeling-Halle. In Prenzlauer Berg, nur einen Handballwurf entfernt vom Jahn-Sportpark, in dem früher der BFC Dynamo kickte, Symbol des DDR-Staatssports. Ein Dutzend Mails habe er bekommen von Leuten, die schrieben, sie würden jetzt nicht mehr zu den Füchsen gehen. Sei ja nun im Osten das Ganze. „Wir haben geantwortet, dass wir auf ihren Besuch gerne verzichten.“

Für die ersten Spiele in der großen Halle ließ Hanning 10 000 Freikarten verteilen. „Gekommen sind 400 Leute, und weil einige ihre Freikarten auch noch vor der Halle verkauft hatten, haben wir an dem Tag 1038 Euro eingenommen.“ Diese Geschichte erzählt er genauso gerne wie die von den ersten 17 Dauerkarten, die die Füchse verkauften, „15 für den Fanklub, zwei für meine Eltern“.

Doch sie wollten richtige Füchse sein. Angreifen. Sich ein Revier aufbauen. Sie starteten eine Werbekampagne: „Wir sind die Jäger.“ Ein durchtrainierter, halbnackter Handballerkörper mit einem Fuchskopf, der einen Haufen Gänse aufscheucht. Sie wollten ein bisschen im Revier der anderen wildern. Bei Alba zum Beispiel, dem etablierten Basketballklub. Wer Hanning begegnete und nach einem Sieg von Alba fragte, bekam schon mal als Antwort: „Wer ist Alba?“

Wenn es dagegen um Partner geht, trifft Hanning den richtigen Ton. „Ich versuche, alle ehrlich und mit Respekt zu behandeln. Irgendwann kommt dann auch etwas zurück.“ Er redet viel und gern, statt eines Smartphones besitzt er ein zehn Jahre altes Modell, „das hat die längste Akkulaufzeit“. Er zog einen Sponsor nach dem anderen an Land, einige große, aber auch viele kleine. „Wir haben keinen Mäzen und sind nicht konzerngesteuert. Unser Hauptsponsor ist die Einsparung“, sagt Hanning und unterlegt seine Schlagzeile gleich mit Text. Seine Spieler müssten die Socken noch selbst zahlen und das Taxi vom Flughafen auch. „Ein Azubi hat bei uns mal Büromaterial nachbestellt für 13 Euro. Da fielen 2,95 Euro Versandkosten an. Dann haben wir eine Krisensitzung veranstaltet.“ Wegen 2,95 Euro. Damit jedem klar werde, dass sie keinen Cent zu viel hätten. „Wir brauchen keinen Mietwagen, wenn wir Tore von A nach B befördern wollen. Es wird so lange telefoniert, bis wir einen Sponsor haben, der uns die fährt.“

Auf einen Etat von gut fünf Millionen Euro kommen die Füchse inzwischen. Meister Kiel hat zwölf. Der ehemalige Kieler Manager Uwe Schwenker sagt: „Die Bundesliga ist auch eine Geldrangliste, aber Bob macht aus seinen Möglichkeiten alles. Seine Taktik ist wie die von Sergej Bubka, langsam und kontinuierlich höher.“ Stabhochspringer Bubka ließ beim Weltrekordversuch immer nur einen Zentimeter mehr auflegen. So brach er viele Rekorde und wurde ein reicher Mann.

Aber wie bei Bubka wird es immer schwieriger, je höher Hanning mit seinen Füchsen kommt. In Kiel regiert der Handball, in Berlin darf er mitspielen. Mit Silvio Heinevetter hat er einen exzentrischen Torhüter nach Berlin geholt, mit Dagur Sigurdsson einen der besten Handballtrainer der Welt. Doch ihre Namen werden längst mit Kiel in Verbindung gebracht. Hanning antwortet ein wenig trotzig, wenn man ihn darauf anspricht. „Da können sie nur noch Titel gewinnen, die alle vor ihnen auch schon gewonnen haben.“

Hanning will aufbauen und jagen. Er weiß, dass er nur näher an Kiel, den Rekordmeister, herankommt, wenn er immer wieder unten anfängt. Als die Füchse ihr bisher wichtigstes Spiel gemacht haben, das Viertelfinale der Champions League in Leon, fuhr Hanning mit Nachwuchsspielern zur Schul-WM. „Mein Traum ist es, drei bis vier Jugendliche in die Bundesligamannschaft einzubauen. Wir wollen eine eigene Identität und Identifikation.“ Ein eigenes Leistungszentrum für den Nachwuchs möchte er aufbauen. So wie Ajax Amsterdam im Fußball. Die Füchse-Schule. Sie wird in Hohenschönhausen stehen. Was in Reinickendorf begann, soll tief im Osten vollendet werden, da sollen sie trainieren, Nachwuchsmannschaften, das Bundesligateam, alle zusammen im Maschinenraum des Handballs.

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