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Sport: Fußball Bundesliga: Der Aufbaugegner von Platz eins

Es war am Freitagabend, so um kurz vor elf, da ließ sich der Dortmunder Fußballlehrer Matthias Sammer alles im Schnelldurchlauf erklären. Schließlich kommt es in der Bundesliga eher selten vor, dass der Tabellenführer den Aufbaugegner spielt für eine kriselnde Mannschaft, die zuletzt dreimal in Folge verloren hat.

Es war am Freitagabend, so um kurz vor elf, da ließ sich der Dortmunder Fußballlehrer Matthias Sammer alles im Schnelldurchlauf erklären. Schließlich kommt es in der Bundesliga eher selten vor, dass der Tabellenführer den Aufbaugegner spielt für eine kriselnde Mannschaft, die zuletzt dreimal in Folge verloren hat. Jetzt, eine halbe Stunde nach dem Spiel, lauschte Sammer im Fahrstuhl hinauf in die VIP-Räume des Westfalenstadions den Worten des Berliner Führungspersonals. Trainer Jürgen Röber und Manager Dieter Hoeneß hatten knapp 30 Sekunden Zeit, die 0:2-Niederlage ihrer Mannschaft von Hertha BSC zu analysieren. Ein Mitschnitt

"Das war unser fünftes Spiel in zwölf Tagen, da bist du einfach nicht mehr frisch."

"Ihr seid ja auch von der erste Minute an viel aggressiver in die Zweikämpfe gegangen."

"Dann mussten wir auch noch kurzfristig die halbe Mannschaft, äh, na ja, drei spielentscheidende Leute ersetzen."

"Und außerdem habt ihr auch noch das frühe 1:0 gemacht!"

Hier, aber auch nur hier, hakte Sammer ein: "Wisst Ihr, auch vor einer Woche in München haben wir ganz schnell 1:0 geführt und dann doch 2:6 verloren."

Der Rest ging unter in allgemeiner Zustimmung, Hoeneß klopfte Sammer auf die Schulter, dann öffnete sich die Fahrstuhltür, und der inoffizielle Teil war beendet. Die Herren kennen und schätzen sich, und keiner, erst recht nicht auf Berliner Seite, zweifelte daran, dass die richtige Mannschaft gewonnen hatte. Das Ergebnis war für Hertha BSC ein schmeichelhaftes. Zwischen Lars Rickens frühem Führungstor und dem 2:0 durch Giuseppe Reina eine Viertelstunde vor Schluss lagen vier, fünf sehr gute Dortmunder Chancen und eine halbe für Hertha, vergeben von Michael Preetz. "Das ist zu wenig", gab Abwehrchef René Tretschok zu. Dortmunds Torhüter Jens Lehmann nahm das Privileg, den Ball in seinem Strafraum mit der Hand zu berühren, vielleicht drei, vier Mal in Anspruch.

Dortmund war ausgeruht und stand unter Druck, Hertha wirkte müde und vielleicht ein wenig zu sehr berauscht von der Spitzenposition, die viel Selbstbewusstsein vermittelt hatte - vielleicht zu viel? "Nein", sagte Hoeneß, "das hatte mit der Tabellenführung nichts zu tun. Das war ganz einfach ein schlechtes Spiel von uns."

Gewiss, und es war ein schlechtes Spiel mit Ansage. Verteidiger Marko Rehmer hatte sich im Abschlusstraining am Donnerstag einen Muskelfaseriss zugezogen, der erst am Tag darauf entdeckt wurde. Sein Nebenmann Dick van Burik wurde am Abend des Spiels vom Fieber geschüttelt und durfte das Berliner Mannschaftshotel erst gar nicht verlassen. Dazu fehlte der nach wie vor verletzte Dariusz Wosz, sein Nationalmannschaftskollege Stefan Beinlich spielte unter Schmerzen.

War unter diesen Umständen vom Überraschungsspitzenreiter überhaupt mehr zu erwarten? Das kommt auf die Anspruchshaltung an. Vom FC Bayern München wird wie selbstverständlich erwartet, dass er die nationale Konkurrenz auch mit der B-Mannschaft in Schach hält. Wenn er gar in Bestbesetzung verliert, wie gestern in Gelsenkirchen, ist das Geschrei groß. So ist das neuerdings auch in Berlin, und das ärgert Dieter Hoeneß, der ja bekanntlich alle Vergleiche mit dem FC Bayern suspekt sind. "Wir haben jetzt fünf Spiele hintereinander gewonnen", sagte der Berliner Manager, "ja habt Ihr denn geglaubt, das würde immer so weiter gehen?" Und Trainer Röber schob nach: "Natürlich wollen wir oben mitspielen. Aber es darf doch niemand ernsthaft glauben, dass wir in dieser Saison schon Deutscher Meister werden."

Es war dies die Lektion von Dortmund, das Signal an alle, die nach den jüngsten Erfolgen schon in meisterlicher Seligkeit geschwelgt hatten: Hertha BSC hat eine gute Mannschaft, aber keineswegs eine überragende. Die Anstrengungen der letzen Tage haben Spuren hinterlassen. Bei Sebastian Deisler, der die rechte Seite mit seinem Freund Anthony Sanneh am Freitag zur Berliner Achillesferse machte; bei Kostas Konstantinidis, der nach gerade auskurierter Verletzung das komplette Programm der letzten zwölf Tage mitgemacht hat und auf der linken Seite kaum besser war; bei René Tretschok, der eben doch besser im Mittelfeld spielen sollte und den verletzten Andreas Schmidt als Libero nicht ersetzen konnte. Solche Verluste können vielleicht die Bayern wegstecken, aber die sind ja auch Deutscher Meister. So weit ist Hertha BSC noch nicht. 61 000 Dortmunder haben es am Freitag gesehen.

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