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Fußball: Collina tritt zurück

Unwürdiges Ende einer beispiellosen Schiedrichter-Karriere: Pierluigi Collina hat nach einer Werbe-Affäre und der Verbannung in die zweite italienische Liga seinen Rücktritt erklärt.

Viareggio (29.08.2005, 14:57 Uhr) - Nach der Verwarnung durch den italienischen Fußballverband hat sich Pierluigi Collina jetzt selbst aus dem Spiel genommen. Italiens Star-Schiedsrichter erklärte am Montag seinen Rücktritt und zog damit die Konsequenzen aus der Affäre um seinen Werbevertrag mit Opel, zugleich Trikotsponsor des AC Mailand. «Mir blieb nichts anderes übrig, als nach 28 Jahren zurückzutreten», sagte Collina mit bewegter Stimme. Nicht die vom Verband ausgesprochene Verbannung in die zweite Liga, sondern die Anzweiflung seiner Unparteilichkeit habe ihn zum Rückzug gezwungen. «Wenn man einem Schiedsrichter nicht mehr vertraut, macht es keinen Sinn mehr», sagte der sechs Mal zum besten Schiedsrichter der Welt gewählte Collina.

Die glanzvolle Karriere des charismatischen Glatzkopfes nahm damit ein unwürdiges Ende. «Am Ende haben wir alle verloren», sagte der Mann aus Viareggio, dem der Abschied sichtlich schwer fiel. «Ich habe in der letzten Nacht weniger geschlafen als vor dem WM-Finale», berichtete der Familienvater, der von seiner Frau Gianna zu seiner wohl schwersten Pressekonferenz begleitet wurde. Das WM-Finale 2002 zwischen Deutschland und Brasilien war einer der vielen Höhepunkte seiner einzigartigen Karriere. Die WM 2006 in Deutschland wurde ihm nun zum Verhängnis. Der dafür abgeschlossene Werbevertrag mit Opel brachte Collina angeblich rund eine Million Euro und in eine ausweglose Zwickmühle.

Dass man ausgerechnet Collina wegen eines gemeinsamen Werbepartners mit Milan den Verlust seiner geradezu legendären Unparteilichkeit unterstellte, nannte Italiens Liga-Chef und Milan- Vize-Präsident Adriano Galliani «völlig absurd». In einer von Schiebung, Wettbetrug, Vereins-Pleiten und Fan-Gewalt überschatteten Liga war doch gerade der Mann mit den stechenden Augen ein Garant für sauberen Fußball. Dennoch stellte ihm der Verband ein Ultimatum: Werben oder Pfeifen.

Collina löste den Opel-Vertrag trotzdem nicht. Den Vorwurf, dass er sich beim Schiedsrichterverband (AIA) den Opel-Vertrag nicht habe genehmigen lassen, wies er zurück. «Ich habe AIA-Chef Tulio Lanese informiert und er hat mir gratuliert», berichtete Collina. Schriftliche Genehmigungen habe er sich auch in der Vergangenheit nie eingeholt. Und Verträge hat der zur Werbe-Ikone aufgestiegene Glatzkopf schon zuhauf unterzeichnet. Der gelernte Finanzberater warb für Uhren, Sportartikel, Tiefkühlkost und als Hobby-Model sogar für Modedesignerin Laura Biagiotti auf dem Laufsteg. Dafür kassierte der clevere Geschäftsmann mit rund 800 000 Euro im Jahr immer schon weit mehr als doppelt so viel wie er als Serie A- und Fifa-Schiedsrichter verdiente.

Collina, dem wegen einer Stoffwechselkrankheit im Alter von 24 Jahren alle Haare ausfielen, war ein Star im italienischen Fußball. 60 Prozent der Italienerinnen bezeichneten den charmanten und stets zurückhaltenden Collina in einer Umfrage sogar als «sexy». Sein in neun Sprachen aufgelegtes Buch «Meine Regeln des Spiels» wurde zur Pflichtlektüre für Fußballfans.

Unzählige Fans, Spieler und Clubs sehen in Collina immer noch den idealen Schiedsrichter. Dass der Fußballverband ihm im Sommer mit einer eigens eingeführten «Lex Collina» trotz Erreichens der Altersgrenze von 45 Jahren noch eine Karriereverlängerung um eine Saison zugestanden hatte, stieß überall auf große Zustimmung. Gut möglich, dass Fans, Spieler und Clubs versuchen werden, Collina zum Rücktritt vom Rücktritt zu bewegen. Von Bernhard Krieger, dpa (tso)

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