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Italiens Keeper Buffon hat nach dem 2:0-Sieg einen Rückenklatscher hingelegt.

© imago/Xinhua

Fußball-EM 2016: Italien ist zurück

Spätestens jetzt steht fest: Buffons Italiener wurden zu Unrecht vor dem Turnier belächelt. Es könnte sich erneut rächen, sie zu unterschätzen.

Gianluigi Buffon sprang aus vollem Lauf an die Latte, rutschte weg und lag auf dem Boden im Tor. Dann zuckte er hoch und ballte im Netz die Fäuste. Es war seine ganz eigene After-Work-Party nach dem 2:0 seiner Italiener gegen Belgien.

Buffon hat 14 EM-Spiele bestritten, er kann in diesem Jahr zum Rekordspieler aufsteigen. Der Torwart hat schon sehr viel gesehen bei diesem kontinentalen Wettbewerb, doch der Auftaktsieg seiner Italiener setzte noch einmal besondere Akrobatik-Kräfte frei.

Spätestens nach diesem ersten Spiel bei der EM steht nun fest: Buffons Italiener wurden zu Unrecht vor diesem Turnier belächelt. Zu wenig Offensive, zu wenig herausragende Spieler, zu viele alte Kräfte, hieß es. Es könnte sich zum wiederholten Male rächen, die Italiener unterschätzt zu haben.

Italien: zähe Defensive, Disziplin, effizienten Angriff

Das Land, in dem die Kinder wohl erst das taktische Verschieben und dann das Laufen lernen, zeigt wieder seine gefürchteten Tugenden: eine zähe Defensive, Disziplin, einen effizienten Angriff. Verteidiger Leonardo Bonnucci lieferte ein überragendes Match gegen Belgien, klärte hinten gleich sieben brenzlige Situation und legte mit einem großartigen langen Ball das 1:0 vor. Der Torschütze Emanuele Giaccherini fasste ganz unbescheiden so zusammen: „Wir haben die beste Defensive im Turnier.“ Nach dem ersten Auftritt konnte ihm wirklich niemand widersprechen.

Die Mannschaft von Trainer Antonio Conte verschob bei gegnerischem Ballbesitz von einer Dreier- zu einer Fünferkette. Belgien brachte selten zwei Pässe nacheinander zustande. Der Titelkandidat fand nie zu seinem Spiel. Trainer Marc Wilmots sagte: „Wir sind durch individuelle Fehler in Rückstand geraten. In der zweiten Halbzeit wollte ich mehr riskieren, das aber ging nicht auf.“

Spiele gegen Italien sind keine Wohlfühl-Veranstaltung für offensive Techniker

In Belgien hatten die Experten vor dem Spiel Wilmots’ bedachte Ausrichtung bekrittelt. Gegen die Italiener schickte er zwar ein 4-2-3-1 mit Marouane Fellaini im Zentrum aufs Feld. Doch die hoch veranlagte Offensive verhedderte sich im dichten italienischen Netz. Spiele gegen Italien sind keine Wohlfühl-Veranstaltung für offensive Techniker, das musste auch Kevin de Bruyne leidvoll erleben.

Der Ausnahmespieler wirkte nicht richtig fit, seine Sprints und Pässe halbherzig. Die Italiener triezten ihn, bis er die Lust verlor. Wenn Belgien in Ballbesitz war, wurden Italiens Außenverteidigern zu seinen Manndeckern alter Schule. Trainer Wilmots versuchte gar nicht, de Bruynes Auftritt zu beschönigen. „Ich habe keine Erklärung für seine Leistung. Ist er nicht fit nach einer langen Saison? Das kann durchaus sein. Ich habe ihn trotzdem auf dem Platz gelassen, weil er immer für die eine besondere Aktion gut ist.“

Erst in der 41. Minute kam de Bruyne in aussichtsreiche Position im 16-Meter-Raum, sein Schuss wurde jedoch geblockt. Nach der Pause setzte er Romelu Lukaku gekonnt in Szene, doch der Stürmer zielte vorbei. Mehr war von de Bruyne nicht zu sehen. Eden Hazard auf der anderen Seite konservierte seine Form aus seiner Saison mit Chelsea – und das ist wahrlich kein Kompliment.

Giaccherino: Wir mussten den Belgiern wehtun

Viel effektiver gerieten die Offensivbemühungen der Italiener. Mit langen Bällen überbrückten sie häufig die belgische Kette wie beim 1:0: Bonuccis langer Pass, Giaccherinis Annahme und dessen Vollendung ins lange Eck zeugten von der unterschätzen „High quality“ dieser Italiener. Der Torschütze Giaccherino sagte nach dem Spiel: „Wir haben die belgische Stärke zwar nicht gesehen, aber sie gefühlt. Wir mussten ihnen weh tun, so war der Auftrag. Das haben wir getan.“

Zudem war der Stürmer Graziano Pellè immer wieder eine gefährliche Anspielstationen bei Flanken. Er erzielte in der Schlussminute das entscheidende 2:0 per Volleyschuss. Beim Jubel sprangen neun italienische Ersatzspieler mit auf dem Rasen herum, ein Indiz für den Zusammenhalt dieses Teams. Trainer Antonio Conte machte sich nach dem Spiel über die Grabesreden auf sein Team im Vorfeld des Turniers lustig: „Im Fußball ist nichts auf dem Papier festgeschrieben, sondern auf dem Platz.“ Und ein ehernes Gesetz scheint durch alle Gezeiten zu gelten: Es gibt die Sonne, es gibt den Mond und Italiens Defensive.

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