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Italiens Torhüterlegende Dino Zoff.

© AFP

EM-Geschichten (2): 1968: Per Münzwurf ins Finale

Ein Losentscheid sorgte bei der EM 1968 in Italien für Kontroversen und die Einführung des Elfmeterschießens.

Am 8. Juni eröffnen Polen und Griechenland in Warschau die Fußball-Europameisterschaft. Bis dahin blicken wir auf Besonderheiten vergangener Turniere zurück.

Die Entscheidung fällt auf dem Handrücken eines Deutschen. Wirklich vorstellen kann sich das vor Spielbeginn aber noch keiner der fast 70 000 Zuschauer im Stadion San Paolo von Neapel. Die Arena, in der später einmal Diego Armando Maradona die Fans verzücken wird, ist 1968 restlos ausverkauft. Gastgeber Italien spielt gegen die UdSSR. Europameisterschaft. Halbfinale.

Die vielen Zuschauer sind nicht selbstverständlich, denn Ende der sechziger Jahre hat die Europameisterschaft längst noch nicht den Stellwert von heute, auch wenn es langsam besser wird und die meisten Verbände für die Qualifikation gemeldet hatten. So ist auch Deutschland zum ersten Mal dabei. Bis zur Endrunde in Italien hat es die Mannschaft von Bundestrainer Helmut Schön aber nicht geschafft. Ein 0:0 in Albanien, später als Debakel von Tirana bekannt, bedeutet das Aus schon in der Qualifikation. Der Modus ist im Vergleich zu heute ein anderer. Nur vier Mannschaften nehmen am eigentlichen Turnier in Italien teil: England, Jugoslawien, die UdSSR und der Gastgeber. Sie haben sich durch die Qualifikation mit anschließender Ko-Runde in Hin- und Rückspiel gekämpft.

Die UdSSR ist die erfolgreichste Mannschaft der noch jungen Kontinentalmeisterschaft. Der Europameister von 1960 und Vize-Europameister von 1964 steckt jedoch mitten im Umbruch. Torhüterlegende Lew Jaschin ist nicht mehr dabei. Viktor Ponedjelnik, Schütze des Siegtreffers 1960, auch nicht. Im Gegensatz zu den Italienern müssen die Sowjets aber kein Trauma aufarbeiten. Zwei Jahre zuvor hatte sich Italien bei der Weltmeisterschaft in England bis auf die Knochen blamiert. 0:1 gegen Nordkorea. Aus in der Vorrunde. Nun sollte der Europameistertitel als Wiedergutmachung her.

Doch danach sieht es in Neapel zunächst nicht aus. Giovanni Rivera verletzt sich schon nach fünf Minuten am Oberschenkel. Ausgerechnet Rivera! Auf dem eleganten Spielmacher ruhten im Vorfeld die Hoffnungen der Italiener. Mit seinem Klub, dem AC Mailand, hatte er national und international Pokal um Pokal gesammelt. Die Serie A ist zu diesem Zeitpunkt die stärkste Liga Europas, im Gegensatz zu vielen ihrer europäischen Kollegen sind die italienischen Spieler Vollprofis. Die Klubs dominieren die Wettbewerbe. Nur die Nationalmannschaft ist seit dem zweiten Weltkrieg chronisch erfolglos. Und wird es auch bleiben, jetzt wo Rivera nur noch vor sich hin humpelt, denken viele.

Die UdSSR drückt, doch der junge Torhüter vom SSC Neapel ist nicht zu überwinden. Sein Name: Dino Zoff. Bei jeder Parade tobt das Stadion. Es geht in die Verlängerung. Als niemand mehr damit rechnet, rafft sich Inter Mailands Angelo Domenghini noch einmal auf. Doch sein Schuss klatscht nur an den Pfosten. 0:0. Elfmeterschießen ist damals noch nicht erfunden und für ein Wiederholungsspiel ist bei dem engen Zeitplan bis zum Finale kein Platz. Also muss das Los entscheiden. Genauer gesagt eine Münze. Schiedsrichter Kurt Tschenscher zückt eine 10-Francs-Münze und ruft die beiden Kapitäne zu sich. Albert Schesternjew wählt Zahl, Giacinto Facchetti Kopf. Als Tschenscher die Münze auf seinen Handrücken knallt, hat Facchetti gewonnen. Kopf.

Der junge Lokalheld im Tor der Italiener hält jeden Ball. Sein Name: Dino Zoff

Italien steht erstmals seit der WM 1938 wieder in einem Finale. Dort geht es gegen Jugoslawien, das Weltmeister England besiegt hat. Auch im Endspiel gibt es nach 120 Minuten keinen Sieger. Weil aber im Gegensatz zum Halbfinale kein akuter Termindruck herrscht, gibt es ein Wiederholungsspiel. Italien gewinnt 2:0 und ist erstmals Europameister. Der Makel des Münzwurfs aber bleibt. Nach dem Turnier wird heftig diskutiert. Die Kritik am Losentscheid bewirkt letztlich, dass das Elfmeterschießen eingeführt wird.

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