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Nadine Angerer

© ddp

Fußball-WM der Frauen: Das zweite Debüt

Vor elf Jahren stand Nadine Angerer im deutschen Tor – erst jetzt bei der WM ist sie die Nummer eins.

Die Kamera ist immer dabei, wenn Nadine Angerer in der kurzen trainingsfreien Zeit durch Shanghai streift. Für die architekturbegeisterte Fußball-Torfrau bietet die Metropole viele Motive. Zwischen kolonialen Prachtvillen, kommunistischen Protzbauten und gesichtslosen Wohnblöcken ragen einige der futuristischsten Wolkenkratzer der Welt teils über 400 Meter in die Höhe. Hohe Ziele hat sich auch die 28-Jährige gesetzt: „Ich will Weltmeister werden!“

Doch anders als beim letzten WM-Titelgewinn der deutschen Fußball-Nationalmannschaft will Angerer diesmal nicht auf der Bank feiern. Gut elf Jahre nach ihrem Länderspieldebüt steht sie bei ihrem ersten großen Turnier, der WM in China, im deutschen Tor. So lange musste Jens Lehmann nicht warten, um Oliver Kahn zu verdrängen. Beim Eröffnungsspiel gegen Argentinien (Montag, 14 Uhr, live im ZDF) wird die langjährige Stammtorfrau Silke Rottenberg nicht mal auf der Bank sitzen. Nach ihrem Kreuzbandriss, erlitten ausgerechnet in China bei einem Vorbereitungsturnier Anfang des Jahres, und anschließender Muskelverletzung kann die beste Torfrau der vergangenen Weltmeisterschaft immer noch nur humpeln. Das nagt an ihr, ein Lob für die jüngere Rivalin kommt da nur schwer über die Lippen. Sie sagt: „Wir haben in Deutschland das Luxusproblem, zwei Weltklassetorhüter zu haben.“

Ähnlich sieht es wohl auch Bundestrainerin Silvia Neid. Vor dem Auftaktspiel lobte sie auch die fußballerischen Fähigkeiten ihrer neuen Nummer eins, die in der Jugend noch im Sturm spielte: „Nadine Angerer kann ein Spiel lesen, sie hat ein sehr gutes Stellungsspiel und sehr gute Reflexe.“ Und während sich Rottenberg mit leicht verkniffenem Gesicht auf ihr Zimmer zurückzieht, schlendert Angerer bestens gelaunt im rotweißen Trainingsanzug durch das Huating-Mannschaftshotel.

Verteidigerin Kerstin Stegemann weiß, dass sie sich auf ihre neue Torfrau verlassen kann: „Nadine Angerer war zehn Jahre die Nummer 2 und nie verbittert, dass sie nicht spielt. Beim 2:2 gegen Norwegen im letzten Testspiel war sie die Einzige, die eine Topleistung gebracht hat. Das ist schon mal ein gutes Zeichen.“ Eine Topleistung wird Angerer auch in China bringen müssen, soll das Unternehmen Titelverteidigung klappen. Im Shanghaier Hongkou-Stadion werden auch ihre Eltern mitfiebern, die extra aus dem fränkischen Gemünden am Main angereist sind. Schon das Auftaktspiel hat es ins sich. Bei der WM 2003 gab es zwar noch ein lockeres 6:1 gegen Argentinien. Doch inzwischen haben die Argentinierinnen die Copa America gewonnen und dabei auch die hochgehandelten Brasilianerinnen geschlagen.

„Unangenehm“ seien die Argentinierinnen, warnt Stegemann. Danach warten in der Vorrunde noch England und Japan. Doch bereits im Viertelfinale könnte es zum vorgezogenen Finale kommen gegen Schweden, Deutschlands Endspielgegner 2003, oder die USA, Nummer 1 der Weltrangliste und Topfavorit auf die von der Fifa ausgelobte Siegprämie von einer Million Dollar. Und anders als bei den letzten großen Turnieren ist die Weltspitze zusammengerückt. Fast jede zweite Mannschaft hat Außenseiterchancen.

Neben Deutschland und den USA werden auch Brasilien, Norwegen und Nigeria hoch gehandelt. Nadine Angerer aber hat ein ganz anderes Team auf dem Schirm. „Mein Geheimfavorit heißt Nordkorea.“ Im Finale der letzten U20-WM fegte Nordkorea ausgerechnet China mit 5:0 vom Platz. Nun hoffen Pekings Sportfunktionäre, dass ihr eigenes schwächelndes Team nicht schon in der Vorrunde auf den ungeliebten kleinen Nachbarn trifft und möglicherweise ausscheidet. Denn ein Turnier ohne die Gastgeberinnen würde der bislang ohnehin verhaltenen WM-Begeisterung in China einen weiteren Dämpfer verpassen.

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