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Englische Fans in Feierlaune. Unser Autor meint, dass das auch am Sonntag wieder so sein wird.

© dpa

Auswärtsspiel: Als England wieder 5:1 gegen Deutschland gewann

Tagesspiegel-Autor Stephen Bench-Capon ist Engländer und lebt in Berlin. Am Sieg seiner "Three Lions" gegen Deutschland im WM-Achtelfinale hat er keinen Zweifel, vermutlich wird es sogar wieder ein 5:1.

Ich bin Engländer und das Achtelfinale am Sonntag stellt neue Herausforderungen dar. Nicht, dass es meine erste WM in Deutschland ist. 2006 wohnte ich noch in der Heimat, aber ich verbrachte eine Woche im Ruhrgebiet, um die WM-Stimmung vor Ort zu erleben. Beim Elfmetersieg gegen Argentinien feierte ich in einer Kneipe mit. Das Elfmeterversagen der Engländer gegen Portugal konnte ich auf einem Public Viewing in Gelsenkirchen mit Tausenden ebenso zerstörten Landsmännern erleben. Fürs Halbfinale gegen Italien war ich sogar in Dortmund. Nicht im Stadion. Nicht beim Public Viewing, denn alles war voll. Mit einem Kofferradio vor einem Karstadt-Schaufenster war die Stimmung jedoch genauso genial. Damals war HD noch etwas Besonderes.

Während der EM 2008 war ich wieder hier. England war bekanntlich nicht dabei und es war entsprechend mein schönstes Fußballturnier bisher. Kein England. Kein Stress. Ich durfte die Spiele sogar genießen. Mit Freunden aus Russland, der Türkei, Spanien und Deutschland wurde fast jeder Tag zum Fest. Sogar die polnischen Kumpels ließen den Kopf nicht hängen.

Jetzt bin ich wieder in Berlin. Aber jetzt ist es anders. Und jetzt ist es schwer. Ich meine, rein fußballerisch ist es viel besser. Dass England gewinnen wird, gefällt mir. Aber wo soll ich den historischen Sieg gucken? Zu Hause wäre eine Möglichkeit, aber ich will doch in 20 Jahren erzählen können, wo ich war, als England wieder 5:1 gegen die Deutschen gewann. "Auf der Couch hinter einer Chips-Tüte kauernd" drückt das Triumphgefühl nicht ganz aus.

Ich könnte einfach zur Fan-Meile im Tiergarten gehen. Die Polizei tut ja höchstwahrscheinlich ihren Job. Nur – man geht in einer solchen Menschenmenge unter. Ich will doch gesehen werden, wenn Emile Heskeys Hattrick-Tor einem entsetzten Manuel Neuer durch die Beine tröpfelt. Denn ich habe es ja vorher gewusst.

Ich war eigentlich nie ein großer Patriot. Die Queen finde ich nett, leider etwas überflüssig. Zum britischen Pfund habe ich eine ähnliche Einstellung. Aber die Identität ändert sich, sobald man im Ausland ist. Innerhalb der Koalition vertritt Angela Merkel die CDU. Wenn sie in Brüssel ist, spricht sie für Deutschland. Dann wird sie in Toronto zur Stimme der ganzen EU. Ebenso bin ich auf der Insel praktisch nur Tottenham-Fan, werde dann auf dem Kontinent zum wilden "Three Lion".

Für die Kampfstimmung müssen also deutsche Fans dabei sein, aber nicht so viele. Und mit einer Gruppe Engländer wäre es auch besser. Aber wo findet man Engländer in Berlin? Ein Irish Pub wäre das Logischste. Da sind aber auch Schotten und sonstige Völker, denen man an einem solchen Tag lieber aus dem Weg geht. Unser Premierminister David Cameron hat es leicht. Er ist in Kanada und möchte das Spiel mit Merkel schauen. Er wird höchstpersönlich genießen können, wie die "Kanzlerin aller Deutschen" Tränen für all ihre Deutschen fließen lässt.

Also bin ich mit Fans jeder Couleur zusammen, wir trinken Bier und gucken das Spiel. Wenn die Prognosen stimmen, wird alles hervorragend sein. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass England versagt, brauche ich aber einen Plan-B. Das Georg-Kreuz zu übermalen wäre stressig und Lederhosen sind mir zu eng. Dennoch möchte ich nicht heulen. Ich werde ein ehrenhafter Verlierer sein und auf Jägermeister umsteigen.

Stephen Bench-Capon

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