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© AFP

Elfenbeinküste: Elefanten voraus

Die Nationalmannschaft der Elfenbeinküste braucht Erfolge, um wieder zum Hoffnungsträger zu werden

Paul Béchié ist zufrieden. „Die Jungs spielen heute richtig euphorisch und selbstbewusst“, sagt der Germanistikprofessor. In seinem Haus in Abidjan läuft im Fernsehen das letzte WM-Qualifikationsspiel der Elfenbeinküste gegen Guinea, ein ungefährdeter 3:0-Erfolg für die Ivorer. Sie standen bereits einen Spieltag zuvor als WM-Teilnehmer fest. „Dabei schonen wir Drogba noch für das Freundschaftsspiel gegen Deutschland“, fügt Béchié lachend hinzu. Der Experte für deutsch-ivorische Kulturbeziehungen weiß, wovon er spricht. Er ist begeisterter Anhänger der ivorischen Nationalelf, über die er wissenschaftliche Artikel verfasst hat. Er macht sich keine Sorgen um die „Eléphants“, wie die Mannschaft genannt wird. Wie stark das Team um die internationalen Top-Spieler wie Yaya und Kolo Touré, Salomon Kalou und Didier Drogba wirklich ist, wird sich aber erst am Mittwoch in Gelsenkirchen gegen Deutschland zeigen.

Die Eléphants wurden zum Symbol der Hoffnung in einem Land, in dem die Menschen in den vergangenen Jahren einige Katastrophen verarbeiten mussten. Im September 2002 begann mit einem gescheiterten Staatsstreich eine politische Krise in dem einstigen westafrikanischen Vorzeigestaat, die noch heute als nicht beendet gilt. Das „miracle ivoirien“, ein kleines Wirtschaftswunder in den 1970er Jahren, zerfiel durch eine einseitige koloniale Ausrichtung auf den Export von Rohstoffen wie Kakao und Kaffee sowie durch politische Machtkämpfe in seine Einzelteile. Die Fußball-Nationalmannschaft wurde in diesem Umfeld nach ihrer ersten WM-Qualifikation im Oktober 2005 zu einem Hoffnungsträger. Hoffnung auf ein Ende der Konflikte und Hoffnung auf die Wiedervereinigung des geteilten Landes. Die landesweite Euphorie, die damals ein Sieg gegen den Sudan auslöste, brachte allein in Abidjan mehr als eine Million feiernde Menschen auf die Straßen. Die Vehemenz, mit der sich insbesondere Drogba nach dem Erfolg öffentlich für eine Versöhnung der gespaltenen ivorischen Gesellschaft aussprach, trug dazu bei, dass bei den Friedensverhandlungen immer größere Fortschritte erzielt wurden. Für viele Ivorer lässt sich die jüngste Geschichte deshalb in „avant Soudan et après“, eine Zeit vor und nach Sudan einteilen.

Es war kurz nach Sudan, als Drogba, der als Spieler beim FC Chelsea in England mit dem Image des arroganten Schwalbenkönigs zu kämpfen hat, in seiner Heimat den Status einer Art Heilsfigur erhielt. Die Werbeposter mit dem siegessicheren Blick des Stürmers sind im Stadtbild Abidjans und an den Wänden der Wohnungen allgegenwärtig. „Souriez, la vie est belle“, lächelt, das Leben ist schön, steht dort genauso wie „Choisis le meilleur, comme moi“, mach’s wie ich – wähle das Beste. Fußball ist für die Jugend in Abidjan heute der Anlass zu nationalem Stolz und der Aussicht auf eine chancenreichere Zukunft. Der Name Drogba steht dafür als Synonym.

Die beinahe religiöse Verehrung, die ihm und den Eléphants in Abidjan zuteil wird, war im März dieses Jahres Hintergrund der größten Sportkatastrophe des Landes. Zwei Stunden vor dem Spiel gegen Malawi starben damals 19 Fans bei dem Versuch, in das überfüllte Félix-Houphouët-Boigny-Stadion zu gelangen. Nachdem politisch das Schlimmste überstanden zu sein schien, trat die Elfenbeinküste plötzlich wieder durch Negativschlagzeilen in die Weltöffentlichkeit. Präsident Laurent Gbagbo weinte Tage später im nationalen Fernsehen und versprach die Durchführung von Untersuchungen. Für Fehler bei der Sicherheitsorganisation wurden kürzlich vier hohe Verantwortliche des nationalen Fußballverbands verurteilt, sagt Paul Béchié. Doch die Toten wieder lebendig machen könne man ohnehin nicht. Immerhin zeige die Politik Bemühungen, auf die Not der Bürger zu reagieren.

Die politische Stagnation, die ansonsten das Land beherrscht, hat auch dazu geführt, dass die Begeisterung um die ivorische Nationalmannschaft nicht mehr ganz so groß ist wie vor vier Jahren. Die Teilung zwischen einem von Rebellen kontrollierten Norden und einer Regierungszone im Süden wird zwar seit 2007 langsam aufgehoben, aber das regelmäßige Verschieben von Wahlen nagt an der Zuversicht der Menschen. „Durch das andauernde Gerede und Verschieben der Wahlen, sind die Menschen hier einfach etwas desillusioniert“, vermutet Béchié.

Vier Jahre nach Sudan sind deswegen auch die Ansprüche an die ivorische Nationalmannschaft andere geworden. „Ich und meine Freunde wollen in Südafrika Geschichte schreiben“, ließ Didier Drogba jüngst verlauten. Er wolle das Bild ändern, das andere Leute von Afrika haben, indem seine Mannschaft allen zeigen werde, zu welchen Leistungen Afrika im Stande sei. Das Spiel am Mittwoch wird dafür als wichtiger Test betrachtet. Didier Drogba hatte noch gegen Guinea wegen einer Rippenverletzung pausiert. Gegen Deutschland wird er seine Mannschaft wieder anführen, die wegen eines technischen Defekts des Flugzeugs erst am Dienstag in Deutschland landen wird.

Moses März

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