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Nationalmannschaft: Der Fitnesstest hat seinen Schrecken verloren

Bilder des Schreckens wird die Bundesliga diesmal nicht zu Gesicht bekommen. Bilder zum Beispiel, wie sich ihre Profis mit verzerrtem Gesicht am Klimmzug versuchen.

Die quälend anstrengende Übung war gestern beim Fitnesstest der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, vier Tage vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein in Leipzig, ebenso wenig vorgesehen wie die ähnlich beliebten Liegestützen. Für Tim Meyer, den Arzt der deutschen Nationalmannschaft, ist der Schrecken des Tests ohnehin überschaubar. „Das wundert mich schon“, sagt er über die Aufregung, die das Thema offenbar immer noch auslöst. „Der Test ist überhaupt nicht dramatisch.“

Allein das Wort Fitnesstest aber löst in der Bundesliga immer noch einen Beißreflex aus. Vom „Kicker“ auf den Sinn angesprochen, moserte Thomas Schaaf, der Trainer von Werder Bremen: „Fragen Sie die, die in der Nationalmannschaft etwas zu sagen haben. Die äußern sich ja auch zu Dingen, die die Bundesliga betreffen.“ Als Jürgen Klinsmann noch Bundestrainer war, fiel die Kritik wesentlich schärfer aus: Da war der Fitnesstest ein Quell allgemeinen Ungemachs. Er wurde von den Vereinstrainern nicht nur als Ausdruck des Misstrauens in ihre Arbeit gewertet, sondern auch als übertriebene Belastung der Spieler verteufelt.

Dieser Einschätzung widerspricht Tim Meyer: „Die Belastung liegt unterhalb einer anstrengenden Trainingseinheit.“ Neben fünfzehn Sprüngen und fünf Sprints über 30 Meter mussten die Nationalspieler gestern einen Ausdauerlauf über 3500 Meter absolvieren, und davon laut Meyer auch nur die letzten 1500 Meter „in einem relevanten Tempo“. Zeitaufwand inklusive Aufwärmen: zwei Stunden, verteilt auf zwei Einheiten am Vor- und am Nachmittag.

Dass selbst Klinsmann den Test als Bundestrainer problemlos bewältigen konnte, mit einem recht entspannten Puls von 160 nämlich, hat seine Kritiker wenig besänftigt. Inzwischen hat sich die Aufregung weitgehend gelegt. Das liegt zum einen an der konzilianteren Art von Klinsmanns Nachfolger Joachim Löw; es ist vermutlich kein Zufall, dass er die Kollegen aus der Bundesliga nur einen Tag vor dem Fitnesstest zum Gedankenaustausch bat und das abschließende Kommuniqué der Trainertagung von allgemeiner Harmonie kündete.

Es liegt aber auch daran, dass Löw bei weitem nicht ein so überzeugter Fitnessguru ist wie Klinsmann, in dessen Amtszeit das körperliche Feintuning das zentrale Thema war; sein Nachfolger legt eher Wert auf taktische Details. In dreieinhalb Jahren als Bundestrainer ließ Löw nur zweimal die Fitnesswerte seiner Spieler ermitteln, gestern in Leipzig zum ersten Mal seit dem September 2007 wieder. „Die Frage ist: Wo setzen Sie den Schwerpunkt?“, sagt Mannschaftsarzt Meyer. „Opfern Sie für den Fitnesstest einen Trainingstag?“ Löw hat diese Frage im Zweifel mit Nein beantwortet, auch wenn er sagt: „Für die Trainingssteuerung ist es sehr wichtig, dass wir detaillierte Daten über den Fitnesszustand jedes Spielers vorliegen haben.“

Die Ergebnisse der jüngsten Erhebung wird das Trainerteam schon heute bekommen. „Es geht nicht darum, dass jemand, der schlechter abschneidet, nicht mehr nominiert wird“, sagt Tim Meyer. Es gehe um eine Bestandsaufnahme, bei der natürlich auch der Zeitpunkt der Saison berücksichtigt werde. „Typischerweise ist das nicht der Zeitpunkt, in dem die besten Werte erzielt werden“, sagt der Mannschaftsarzt. „Aber es ist auch das Niveau, mit dem wir im nächsten Jahr zu rechnen haben.“ Das wäre kurz vor der Weltmeisterschaft in Südafrika. Und sollten sich die Deutschen für das Turnier qualifizieren, könnten die Daten wertvolle Hinweise liefern, welcher Spieler in der Vorbereitung welches Programm absolvieren sollte, um bei der WM seinen bestmöglichen körperlichen Zustand zu erreichen.

Tim Meyer kündigte gestern an, dass es vor der Weltmeisterschaft weitere Tests geben werde, vielleicht im Herbst, je nach Verlauf der Qualifikation, mit Sicherheit aber im kommenden Frühjahr. Vor der Europameisterschaft hat Joachim Löw aus Termingründen darauf verzichtet. Inzwischen weiß er, dass das ein Fehler war. Es ist auch dem Bundestrainer nicht entgangen, dass seine Mannschaft bei der EM 2008 „eine geringere körperliche Leistungskraft“ hatte als zwei Jahre zuvor bei der Weltmeisterschaft.

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