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Himmelblauer Torgarant: Uruguays Diego Forlan will auch im "Kleinen" Finale gegen Deutschland wieder treffen. Bisher hat er vier Tore in sechs WM-Spielen erzielt.

© AFP

Spiel um Platz drei: Die Fußball-Indianer

Uruguay will ein letztes Mal heldenhaft gegen einen übermächtigen Gegner aufbegehren. Die Hoffnungen ruhen besonders auf dem wiedervereinten Sturmduo Diego Forlan und Luis Suarez.

Es hat schon gute Gründe, dass Oscar Washinton Tabarez in der Heimat bis heute nur „el Maestro“, der Lehrer, genannt wird. Gewiss, der eloquente wie kultivierte Mann mit dem sorgsam gescheitelten Silberhaar, Linksintellektueller und Verehrer des Revolutionsführers Che Guevara, war erst Gymnasiallehrer, bevor er seine Berufung als Fußballlehrer fand. Doch manchmal gefällt sich der Nationaltrainer von Uruguay eben doch noch selbst als Aufrührer. Zumindest mit Worten.

So erinnert der 63-Jährige vor dem Spiel um Platz drei gegen Deutschland an die Bedeutung, die diese Begegnung im historisch-gesellschaftlichen Kontext für seine Heimat besitzt. Mit leeren Händen könne man unmöglich zum Empfang von Staatspräsident José Mujica nach Montevideo zurückkehren, denn die Triumphfahrt durch die Altstadt mit ihrer kolonialen Architektur ist bereits im Detail geplant.

Deshalb gilt, was Tabarez vorgibt: „Wir wollen noch einmal zeigen, dass wir natürliche Grenzen verrücken können.“ In dieser Hinsicht ist es gewiss kein Zufall, dass Oberlehrer Tabarez das Training vor dem letzten Spiel wieder im Philippi-Stadion von Kapstadt angesetzt hat. Hier sollten seine Spieler erfahren, wie die Bewohner Südafrikas jenseits der Armutsgrenze leben – und sich selbst als Underdogs fühlen. Die Township Philippi ist eine der ärmsten Gegenden in der Tafelbucht. Armut und Gewalt, Drogen und Elend. Wenn Kinder hier Fußball spielen wollen, müssen sie sich steiniges, verschlammtes Terrain suchen. Hier sind vor der WM tatsächlich nicht Häuser, Straßen oder Wasserleitungen, sondern das kleine Fußballstadion modernisiert worden.

Nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen haben die Nationalteams auf dem akkurat gepflegten Stadionrasen in Philippi trainiert – wenn überhaupt. Als Diego Forlan oder Luis Suarez aus dem Bus stiegen, winkten sie artig den Township-Kindern zu. Forlan, 31, Torgarant bei Atletico Madrid, hat bisher viermal getroffen – und ein schmerzender Oberschenkel soll ihn nun nicht am Mitwirken hindern. Suarez, 23, Tormaschine bei Ajax Amsterdam, darf als dreifacher Torschütze dank der Milde der Fifa wieder mitmachen. Zwei Stürmer, deren Güte für ein Land mit 3,3 Millionen Bürgern ungewöhnlich sein mag, deren Biografien aber viel über den Aufstieg vermeintlich benachteiligter Talente verraten. Genau wie sich vor 500 Jahren das Indianervolk der Charrúa gegen die europäischen Eindringlinge wehrte, will man sich im kleinen Finale der WM 2010 wieder gegen eine „europäische Supermacht“ stemmen, „die mehr Fußballer als wir Einwohner hat“ (Tabarez).

Heldenhaftes Aufbegehren gegen übermächtige Gegner hat kein anderes Nationalteam am Kap so entschlossen demonstriert wie die „Celeste“, die Himmelblauen aus Lateinamerika. Und allzu gern gibt Tabarez noch diese Losung aus: „Wir kennen die Realitäten unseres Fußballs im globalen Zusammenhang. Aber wir wollen Südafrika mit einem guten Image verlassen.“ Und daher als Drittplatzierter; anders als nach der WM 1970. Allein Forlan und Suarez sind motiviert und talentiert genug, um himmelblaue Träume zu realisieren.

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