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© dpa

Fußball: Red Bull Leipzig: Frisch aus der Dose

Red Bull Leipzig soll bald in der Bundesliga spielen. Noch kämpft der Retortenklub aber in der fünften Liga um Punkte – und gegen Vorurteile. Der Hass auf Red Bull ist groß. In Jena wurden die Spieler bespuckt und beleidigt.

Als die Jungs in den weißen T-Shirts ihr Plakat ausrollen, müssen sie sich aus dem anderen Fanblock als Hurensöhne beschimpfen lassen. Trotzdem halten die Mitglieder der „L.E. Bulls“, des ersten Fanklubs des Fußball-Oberligisten RB Leipzig, ihre Botschaft auf der Raufasertapete in die Höhe. „Lasst hier Tradition entstehen“, lautet ihre Botschaft, die von den meisten Zuschauern im Stadion am Bad im Leipziger Vorort Markranstädt mit freundlichem Applaus bedacht wird.

Tradition spielt eine große Rolle an diesem Tag, beim ersten Heimspiel des Vereins Rasenballsport Leipzig, der bis vor ein paar Wochen SSV Markranstädt hieß und nun die Stiere von Red Bull im Logo und auf den Trikots trägt. Der Getränkehersteller will viel Geld in den Verein investieren, die Zahl von 100 Millionen über einen Zeitraum von zehn Jahren steht im Raum. Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz will in fünf bis acht Jahren im bezahlten Fußball angekommen sein.

Der Retortenklub RB Leipzig spielt in der Oberliga Süd gegen viele Klubs, die reich an Vergangenheit sind, aber arm an Gegenwart und mit wenig Aussicht auf Zukunft. Die Fans dieser Vereine verachten Red Bull und jene, die den Kommerz in den Fußball gelassen haben. Der Hass ist so groß, dass auf der Straße zum Stadion, die kaum größer ist als ein Waldweg, zwei Wasserwerfer der Polizei geparkt sind, eine Reiterstaffel patrouilliert. Beamte in Kampfausrüstung sorgen dafür, dass die Zwickauer Fans in ihren ausgewaschenen „BSG Sachsenring“- Shirts und die Anhänger von Markranstädt sich nicht über den Weg laufen. Viele von den L.E. Bulls sind bis zum Stadiontor nicht einmal als Fans zu erkennen, die frisch bedruckten T-Shirts werden erst dort verteilt, noch eingeschweißt in Plastik.

250 Polizisten sichern das Fünftligaspiel, dazu kommt ein Heer von privaten Sicherheitsleuten. Die Maßnahme hat ihren Grund: Eine Woche zuvor ist die Mannschaft von RB Leipzig bei der zweiten Mannschaft von Carl Zeiss Jena bespuckt und bedroht worden, unter Polizeischutz flüchteten die Spieler mit dem Bus, nicht einmal für eine Dusche blieb Zeit. An diesem Sonntag ist die Stimmung im Stadion am Bad entspannter. Das mag an der Hitze von 32 Grad liegen, die über dem Platz hängt. Aber auch daran, dass die Gastgeber deutlich überlegen sind. Von Beginn an spielt Red Bull Pressing, organisiert vom neuen Kapitän Ingo Hertzsch, der sogar zweimal für die Nationalmannschaft zum Einsatz gekommen ist. Nach einer halben Stunde steht es 2:0. Als die Zwickauer Ultras hinter ihrer „Red Kaos“-Zaunfahne gerade „Red Bull macht unsern Sport kaputt“ anstimmen, pfeift der Schiedsrichter Elfmeter. Im Nachschuss trifft Jochen Höfler, der vom FSV Frankfurt aus der Zweiten Liga gekommen ist. Der Stadionsprecher verkündet den Treffer, kann sich aber für keinen der zahlreichen möglichen Klubnamen entscheiden: „Tor für den SSV Markranstädt Red Bull Leipzig.“

In der Westkurve, die nicht viel mehr als ein Rasenhügel ist, auf dem Ameisen in die Sandalen der Zuschauer krabbeln, macht sich Zufriedenheit breit. Auf zwei kleinen Trommeln schlagen die L.E. Bulls den Takt, zu dem ihr Team in dieser Saison durch die fünfte Liga pflügen soll. Theo, 27, der beim Anpfiff noch verhalten getrommelt hat, drischt jetzt immer ausgelassener auf sein Schlaginstrument ein. Die Provokationen der Zwickauer lassen ihn kalt. „Die wollen eine Reaktion, aber die kriegen sie nicht“, sagt er. „Ich kann ihre Kritik nachvollziehen, aber wir nehmen denen ja nichts weg.“ Neben Theo steht Sebastian, mit dem sächselnden Schlachtruf „Örr-Bäh-Äll!“ treiben sie die RBL–Spieler zusammen an. Der 24-Jährige Sebastian hat den Fanklub als eines von fünf Mitgliedern gegründet. „Wir wachsen ständig“, sagt Sebastian. „Jetzt sind wir schon 30.“ Kaum einer der Red-Bull-Fans war in der vergangenen Saison schon im Stadion am Bad, sie sind erst kurz nach dem Einstieg des Getränkeherstellers Fans geworden. Als Grund geben sie an, dass viele von ihnen „die Schnauze voll“ von den anderen Fußballklubs der Region haben, bei denen es immer nur um Rivalität und nicht selten auch um Gewalt geht. „Hier können wir zeigen: Man kann auch Spaß haben, ohne sich zu prügeln“, sagt Sebastian.

Wie spaßig die Saison für die L.E. Bulls wird, muss sich noch zeigen. Selbst verfeindete Fangruppen wollen gemeinsame Sache machen, wenn es gegen Red Bull geht. Der Sächsische Fußball-Verband fordert bereits, alle Spiele der Markranstädter als Risikospiele einzustufen. Die brisanten Derbys gegen Sachsen Leipzig und den 1. FC Lok könnten schon da ausgetragen werden, wo Red Bull langfristig eingeplant ist: im Leipziger Zentralstadion. Die 44 000 Zuschauer fassende WM-Arena steht fast immer leer, die Mannschaft soll sie füllen. Die Namensrechte am Zentralstadion hat sich Mateschitz gleich bis 2030 gesichert, sie wird wohl bald Red-Bull-Arena heißen.

Noch aber rollt der Ball im Stadion am Bad über den Rasen, der sattgrün in der Mittagshitze daliegt. Nichts lässt mehr darauf schließen, dass der Platz noch vor wenigen Wochen eigentlich ruiniert war: Unbekannte hatten nachts Unkrautvernichtungsmittel verteilt. Für das erste Heimspiel der Saison wurde aber alles rechtzeitig wieder hergerichtet. 2565 Zuschauer sind gekommen, im Hochglanz-Stadionmagazin wird ihnen „die Renaissance des Spitzenfußballs“ in Leipzig verkündet. In der Westkurve ist ein blau-rotes Zelt mit dem Bullen-Logo aufgebaut, unter dem sich Polizisten in Montur neben einer Familie mit Säugling im Kinderwagen vor der Sonne schützen. Am Getränkestand blickt ein Rentner in Socken und Sandalen lange auf die Tafel mit den Preisen, dann sagt er: „Ich probiere auch mal so ein Red Bull.“

Der Absatz im Stadion ist nicht die Motivation des Getränkeherstellers. Red Bull verbreitet seit Jahren seine Marke, indem die Firma Sportveranstaltungen sponsert oder gleich selbst erfindet und ausrichtet. In Salzburg und New York gibt es bereits Red-Bull-Fußballteams, in Deutschland muss der Klub offiziell „Rasenballsport“ heißen, weil Sponsoren im Klubnamen verboten sind. In der Westkurve – es steht inzwischen 4:0 – lassen sich immer mehr Zuschauer von den L.E. Bulls anstecken. Als der Zwickauer Support nach siebzig Minuten in der glühenden Sonne einmal ermattet, schallt es keck aus der schattig-kühlen Westkurve: „Zwickau, wir hören nichts.“ Fin Fan fordert aus voller Kehle „Red Bull für alle“, viele Zuschauer fallen lachend mit ein. Hinter der Haupttribüne, neben dem Schwimmbecken, das dem Stadion am Bad den Namen gegeben hat, sitzen erschöpfte Polizisten. Sie haben sich aus ihren Kampfwesten geschält und blicken sehnsüchtig auf das grün-blau schimmernde Wasser.

„Von der Elbe bis zur Isar, immer wieder RBL“, singen Theo, Sebastian und die anderen. Ehe sie allerdings den HSV oder den FC Bayern zu sehen bekommen, wird sich ihr RBL zwischen Saale und Neiße mit Budissa Bautzen, Germania Halberstadt oder dem VfB Pößneck herumschlagen müssen. Die L.E. Bulls sind sich sicher, dass es mit ihrem Verein nach oben geht – und auch der Hass der gegnerischen Fans vergeht. „In drei bis vier Jahren schreien die eh RBL“, sagt Theo.

Nach dem Abpfiff, es ist beim 4:0 geblieben, organisiert die Polizei den Abzug der Zwickauer. Im Stadion bildet sich vor dem Stand mit den Red-Bull-Leipzig-Fanartikel noch einmal eine Schlange. Mehr als 50 T-Shirts für je 18 Euro sind weggegangen, die Schals für 13 Euro liefen trotz der Hitze nicht schlechter. Das alte Schild „SSV-Fanartikel“ lehnt ausrangiert an einer Wand, hinter den Dixie-Klos.

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